Verkehrsrecht / Autorecht

Prozessuales/Verjährung

Zivilrecht

– 1. Ein im Eigentum des Antragstellers stehender Personenkraftwagen ist bei Beurteilung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe als einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 115 III ZPO anzusehen, soweit nicht Anhaltspunkte für dessen Unverwertbarkeit nach § 90 II, III SGB XII vorliegen oder eine Verwertung aus anderen Gründen unzumutbar ist. 2. Allein der Umstand, dass die Frage der Haftung der Beklagten für die unfallbedingte Beschädigung des Pkw Gegenstand des Rechtsstreits ist, führt nicht zu dessen Unverwertbarkeit (KG, Beschluss vom 27.02.2006 – 12 W 5/06 -, in: NZV 2007, 43).

– 1. Erscheint eine Zeugin nach Ladung, Ordnungsgeldbeschluss und Vorführungsanordnung nicht bei Gericht, und beantragt die beweisbelastete Partei daraufhin die urkundenbeweisliche Verwertung der Erklärung der Zeugin zu dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall gegenüber der Polizei, ohne dass die Gegenpartei ausdrücklich oder konkludent auf einer Vernehmung besteht, ist die Verwertung der Urkunde zulässig. 2. Es stellt keinen konkludenter Widerspruch des Beweisgegners gegen den neuen Antrag oder ein Verlangen auf Vernehmung dar, wenn dieser lediglich Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde erhebt und die Existenz der Zeugin in Frage stellt (KG, Beschluss vom 03.12.2007 – 12 U 198/07 -; in: NZV-aktuell 2/2008, VI).

– Gegen einen medizinischen Sachverständigen, der auf den Vorhalt eines Rechtsanwalts („Soweit der Sachverständige außerhalb seines Fachgebiets Unfallfolgen annimmt, ist das Gutachten ohne jeden Beweiswert“) unsachlich reagiert („Unverschämtheit; völlig absurd und inkompetent“), besteht die Besorgnis der Befangenheit, §§ 406 I, 42 II ZPO (KG, Beschluss vom 06.09.2007 – 12 W 52/07 -; in: NZV 2008, 359).

– Weist das Erstgericht einen Beweisantrag mit der Begründung zurück, der Beweisführer habe nicht vorgetragen, ob die für den behaupteten Unfallhergang (klägerischer Fahrzeugführer sei „bei Grün“ gefahren) benannten fünf Zeugen Fußgänger oder Fahrzeugführer und, wenn ja, in welcher Position gewesen seien, so liegt darin ein Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 531 II 1 Nr. 1 ZPO führen kann (KG, Urteil vom 24.09.2007 – 12 U 57/07 -; in: NZV-aktuell 3/2008, VI).

– 1. Die Behauptung, eine angebliche Reparatur, deren Einzelheiten nicht dargelegt werden, sei fachgerecht durchgeführt worden, kann nicht zulässigerweise in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, der lediglich über Tatsachen vernommen werden kann (§ 373 ZPO); denn dies wäre Ausforschung und ein ungeeignetes Beweismittel, da eine fachkundige Bewertung erforderlich ist. 2. Dies gilt auch dann, wenn als Zeuge der Privatsachverständige benannt ist, solange nicht dargetan ist, auf welche Weise dieser das Fahrzeug untersucht haben will, das einen schweren Schaden, auch an den Längsträgern, erlitten hat. 3. Zu den Voraussetzungen der Feststellung eines provozierten Unfalls durch werthaltige Beweisanzeichen (KG, Beschluss vom 29.01.2007 – 12 U 207/06 -; in: NZV 2008, 153).

– Der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, ist in Adresse und Anschreiben genau zu bezeichnen. Jede Falschbezeichnung (z.B. Sozietät mit mehr als drei Mitgliedern) führt zur Unwirksamkeit der Zustellung (LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 03.07.2006 – 21 Qs 16/06 -; in: Mitteilungsbl. der ARGE Verkehrsrecht 2006, 175).

– Die beantragte Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens zum Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Unfall und vorhandenen Beschwerden ist nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen ist, dass die Partei damit den Beweis der Unfallursächlichkeit führen kann (BGH, Urteil vom 03.06.2008 – VI ZR 235/07 -).

– Nach Art 11 II Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) i. V. mit Art. 9 I lit. B EuGVVO kann der Geschädigte, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erhaben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats hat (BGH, Urteil vom 06.05.2008 – VI ZR 200/05 (OLG Köln) -; in: NZV 2008, 447).

– Ist eine juristische Person „Geschädigter“ i. S. des Art. 11 II i. V. mit Art. 9 I lit. B EuGVVO, so ist sie im Verhältnis zu einem Versicherungsunternehmen als schwächere Partei anzusehen. Ihr ist daher der Gerichtsstand des Art. 9 I lit. B EuGVVO an ihrem Sitz eröffnet (OLG Celle, Urteil vom 27.2.2008 – 14 U 211/06 -; in: NJW 2009, 86).

– Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen kann auch dann bestehen, wenn bei Erteilung des Gutachtensauftrags ausreichende Anhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug gegeben waren und das im Einzelnen nicht angegriffene Gutachten aufzeigt, dass Ersatz von Schäden begehrt wurde, die durch den Unfall nicht entstanden sein können (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 14.10.2008 – VI ZB 16/08) (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 24/08 -).

– Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung in einen diagnostischen Eingriff erst im zweiten Rechtszug erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel. Ein erstinstanzlicher Prozessvortrag des Arztes, der Patient habe nach ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt, erfasst das für die hypothetische Einwilligung erforderliche Vorbringen nicht (BGH, Urteil vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07 -).

– Eine Hemmung der Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen endet auch dann, wenn die Verhandlungen der Parteien „einschlafen“; die von der Rechtsprechung zu § 852 II BGB a. F. entwickelten Grundsätze sind auf das neue Verjährungsrecht zu übertragen (BGH, Urteil vom 6.11.2008 – IX ZR 158/07 -; in: NZV-aktuell 1/2009, IV; : NZV-aktuell 2/2009, IV; NZV-aktuell 3/2009, IV).

– Erfüllt der Schädiger Einzelansprüche des Geschädigten, so liegt darin eine Leistung auf den Gesamtanspruch, durch die auch dessen Verjährung unterbrochen (§ 208 BGB a. F.) bzw. neu begonnen wird (§ 212 BGB n. F.) (BGH, Urteil vom 2.12.2008 – VI ZR 312/07 -; in: NZV-aktuell 2/2009, IV).

– Die Verletztenrente aus der Unfallversicherung vermindert infolge der Kongruenz mit dem Erwerbsschaden des Verletzten den Anspruch des Arbeitgebers auf Ersatz wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit geleisteter Lohnfortzahlungen (BGH, Urteil vom 2.12.2008 – VI ZR 312/07 (OLG Hamburg) -; in: NZV 2009, 131).

– 1. Ergeben Auskünfte der Verkehrsbehörden, dass die Lichtzeichenanlage der Kreuzung im Unfallzeitpunkt störungsfrei lief, gebietet die bloße Behauptung eines Schaltungsfehlers („feindliches Grün“) ohne Darlegung näherer Anknüpfungstatsachen nicht das beantragte Einholen eines Sachverständigengutachtens. 2. Entscheidend für die Notwendigkeit der Parteianhörung ist der Umstand, dass lediglich einer der Parteien ein Zeuge zur Verfügung steht, weil sich nur in ihrem Fahrzeug ein Beifahrer befunden hat, während auf der anderen Seite der im Fahrzeug des Unfallgegners allein befindliche Fahrer mitverklagt wird. 3. Das Erstgericht ist nicht verpflichtet, die Klägerin als Fahrerin ihres Fahrzeuges persönlich anzuhören, wenn neben einem von der Gegenseite benannten und vernommenen – neutralen – Zeugen zwei weitere – unabhängige – Zeugen zur Verfügung stehen, aber die Klägerin sich auf diese nicht beruft (KG, Urteil vom 22.9.2009 – 12 U 3/08 -; in: NZV aktuell 5/2009, IV und NZV aktuell 8/09, VI).

– Bestreiten die Bekl. die Anspruchshöhe im Einzelnen, so hat der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen, dass der Pkw Schäden an Teilen erlitten hat, die nicht schon aus anderen Gründen hätten ausgetauscht oder fachgerecht repariert werden müssen (vgl. BGHZ 71, 339 = VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154). Wird nämlich die Kausalität zwischen dem Unfall und den danach vorliegenden Schäden im Einzelnen bestritten, so obliegt es dem Kläger, die Ursächlichkeit nachzuweisen; hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher vorhanden waren (BGH, aaO; Senat, Urteile vom 15.5.2000 – 12 U 9704/98 -, vom 2.8.1999 – 12 U 4408/98 = und vom 12.10.1992 – 12 U 7435/98 -) (KG, Beschluss vom 14.1.2008 – 12 U 96/07 -; in: NZV 2009, 241).

– Bei der Vorlage eines privatärztlichen Attests über die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten kann danach zu den erforderlichen Ermittlungen die fernmündliche Erkundigung beim ausstellenden Arzt über die näheren Umstände des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheitsbilds gehören. Die Voraussetzungen hierfür liegen mit der Vorlage des Attests durch den Angeklagten regelmäßig vor, weil der ausstellende Arzt damit konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden wird (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.1.2009 – 2 St OLG Ss 259/08 -; in: NJW 2009, 1761).

– 1. Unter den Voraussetzungen des § 138 IV ZPO darf der Bekl. jede ihm nicht bekannte klägerische Behauptung mit Nichtwissen bestreiten, ohne sich dem Vorwurf des „Bestreitens ins Blaue hinein“ auszusetzen; dies gilt auch für das behauptete Eigentum am unfallbeteiligten Kfz oder die Behauptung, der Kl. sei im Unfallzeitpunkt Besitzer des Kfz gewesen. 2. Das Eigentum an einem Kfz ergibt sich nicht aus der Eintragung im Kfz-Brief (vgl. § 25 IV 1 StVZO a. F.) (KG, Beschluss vom 29.10.2007 – 12 U 83/07 -; in: NZV 2009, 292).

– 1. Zu den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung. 2. Es gibt keine auf einen entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregelung, dass der Aussage eines wirtschaftlich interessierten, eines Beifahrers, Freundes oder Verwandten überhaupt nicht oder nur bei Bestätigung durch objektive Beweismittel geglaubt werden darf. 3. Es wirkt sich nicht zwingend zu Lasten der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage eines Kfz-Eigentümers aus, dass er sich durch Abtretung seiner Ansprüche an seinen Ehegatten die prozessuale Stellung eines seiner Ansprüche an seinen Ehegatten die prozessuale Stellung eines seiner Ansprüche an seinen Ehegatten die prozessuale Stellung eines Zeugen verschaffen konnte; denn einer Zeugenaussage kommt nicht schon per se ein höheres Gewicht zu als den Erklärungen einer persönlich angehörten Partei (KG, Beschluss vom 30.9.2008 – 12 U 196/08 -; in: NZV aktuell 7/2009, IV).

– 1. Im Rahmen der Würdigung einer Zeugenaussage müssen Unklarheiten oder Unrichtigkeiten in den Einzelheiten außerhalb des Kerngeschehens nicht zwingend Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Kernaussage haben. 2. Bei Würdigung der Aussage eines – erst nachträglich benannten Zeugen, der am Unfallort nicht in Erscheinung getreten ist, gewinnen jedoch dessen Angaben und Erinnerungen bezüglich der allgemeinen Rahmenbedingungen des Unfallgeschehens (Zeitpunkt des Unfall, Witterungsbedingungen) an indizieller Wichtigkeit (KG, Beschluss vom 22.9.2008 – 12 U 169/08 -; in: NZV 2010, 301).

– Bei unstreitigen Vorschäden muss der Geschädigte im Einzelnen zu deren Art und deren behaupteter Reparatur vortragen, kann er dies nicht, weil er ein Fahrzeug mit – behobenem – Vorschaden erworben hat, hierüber aber weder eine Reparaturrechnung noch sonstige Nachweise mit dem Fahrzeug übergeben wurden, so geht dies im Streitfall zu seinen Lasten (KG, Beschluss vom 31.07.2008 – 12 U 137/08 -; in: NZV 2009, 345).

– 1. Es kommt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 I StPO nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Das Berufungsgericht muss deshalb von Amts wegen prüfen, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Angeklagten genügend entschuldigen. 2. Bei der Vorlage eines privatärztlichen Attests über die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten kann danach zu den erforderlichen Ermittlungen die fernmündliche Erkundigung beim ausstellenden Arzt über die nähren Umstände des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Krankheitsbilds gehören. Die Voraussetzungen hierfür liegen mit der Vorlage des Attests durch den Angeklagten regelmäßig vor, weil der ausstellende Arzt damit konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden wird (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.01.2009 – 2 St OLG Ss 259/08 -; in: NZV 2009, 356).

– In der Unfallversicherung wird die Verjährung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung durch Erhebung einer Leistungsklage nur ein Umfang des bezifferten Antrags gehemmt; dass sich nach Ablauf der Verjährungsfrist ein höherer als der mit der Klage geltend gemachte Invaliditätsgrad etwa auf Grund einer Beweisaufnahme ergibt, ändert daran nichts (BGH, Urteil vom 11.03.2009 – IV ZR 224/07 -; in: NZV 2009, 386).

– Es gibt keine auf einen entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregel, dass die Aussagen von Insassen unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge stets von einem „Solidarisierungseffekt“ beeinflusst und deshalb grundsätzlich unbrauchbar sind. Ebenso wenig können Aussagen von Unfallzeigen, die mit einem Unfallbeteiligten verwandt oder verschwägert sind, als von vornherein parteiisch und unzuverlässig gelten (KG, Beschluss vom 31.10.2008 – 12 U 216/07 -; in: NZV 2009, 390).

– Eine Ersatzzustellung kann gem. § 180 S. 1 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten auch dann wirksam vorgenommen werden, wenn der Briefkasten mangels Verschließbarkeit zwar objektiv unsicher, dieser Umstand für den Postzusteller allerdings nicht erkennbar ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.05.2009 – 1 St OLG Ss 76/09 -; in: NJW 2009, 2229).

– Wird ein Sachverständiger, ohne dass er vorher ein den Parteien zur kritischen Würdigung zugängliches schriftliches Gutachten erstattet hat, in der mündlichen Verhandlung zu schwierigen Sachfragen ausführlich gehört, muss jeder Partei Gelegenheit gegeben werden, nach Vorliegen des Protokolls über die Beweisaufnahme zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Gibt die Stellungnahme Anlass zur weiteren tatsächlichen Aufklärung, ist die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (BGH, Beschluss vom 12.05.2009 – VI ZR 275/08 –; in: NZV 2009, 440).

– Es gibt keine auf einen entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregel, dass die Aussagen von Insassen unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge stets von einem „Solidarisierungseffekt“ beeinflusst und deshalb grundsätzlich unbrauchbar sind. Ebenso wenig können Aussagen von Unfallzeugen, die am Prozessausgang wirtschaftlich interessiert oder mit einem Unfallbeteiligten verwandt oder verschwägert sind, stets als von vornherein parteiisch und unzuverlässig gelten (KG, Beschluss vom 24.11.2008 – 12 U 157/08 -; in: NZV 2009, 460).

– 1. Ergeben Auskünfte der Verkehrsbehörde, dass die Lichtzeichenanlage der Kreuzung im Unfallzeitpunkt störungsfrei lief, gebietet die bloße Behauptung eines Schaltungsfehlers („feindliches Grün“) ohne Darlegung näherer Anknüpfungstatsachen nicht das beantragte Einholen eines Sachverständigengutachtens. 2. Entscheidend für die Notwendigkeit der Parteianhörung ist der Umstand, dass lediglich einer der Parteien ein Zeuge zur Verfügung steht, weil sich nur in ihrem Fahrzeug ein Beifahrer befunden hat, während auf der anderen Seite der im Fahrzeug des Unfallgegners allein befindliche Fahrer mitverklagt wird. 3. Das Erstgericht ist nicht verpflichtet, die Klägerin als Fahrerin ihres Fahrzeugs persönlich anzuhören, wenn neben einem von der Gegenseite benannten und vernommenen – neutralen – Zeugen zwei weitere – unabhängige – Zeugen zur Verfügung stehen, aber die Klägerin sich auf diese nicht beruft (KG, Beschluss vom 22.09.2008 – 12 U 3/08 -; in: NZV 2009, 460).

– 1. Dem Kläger obliegt die Darlegung der Verursachung des geltend gemachten Schadens durch das gegnerische Fahrzeug sowie des Umfangs des dadurch eingetretenen Schadens. 2. Die Klage ist abzuweisen, wenn der gerichtliche Sachverständige feststellt, dass der Unfall sich nicht so, wie der Kläger dies behauptet, zugetragen haben kann; denn dann ist der Beweis einer Fahrzeugbeschädigung durch den Beklagten nicht geführt (KG, Beschluss vom 07.05.2009 – 12 U 56/09 -; in: NZV-aktuell 10/2009, IV).

– Legt der Kl. aus einer Unfallversicherung ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlichen Sachverständigen steht, dann darf das Gericht die Widersprüche nicht dadurch ausräumen, dass es ohne einleuchtend und logisch nachvollziehbare Begründung einem der Gutachten den Vorzug gibt. Der Hinweis, dass dem gerichtlichen Gutachter alle von dem Kl. aufgeführten Unterlagen vorgelegen haben und in dessen Begutachtung eingeflossen seien, genügt nicht, wenn der Sachverständige zwar diese Unterlagen erwähnt, sich aber nicht mit ihnen auseinandergesetzt hat. Vielmehr war der gerichtliche Gutachter zu dem Privatgutachten anzuhören, gegebenenfalls unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter, und erforderlichenfalls war ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen (BGH, Beschluss vom 18.05.2009 – IV ZR 57/08 -; in: NZV 2009, 490).

– Es besteht keine Vermutung, dass die Diagnosen, die in einem zeitnah zum Unfall erstellten ärztlichen Attest enthalten sind, unfallbedingte Verletzungen beweisen; ein derartiges Attest ist nur ein ggf. von einem medizinischen Sachverständigen zu berücksichtigendes Indiz von eher untergeordneter Bedeutung (KG, Beschluss vom 12.11.2008 – 12 U 49/08 -; in: NZV 2009, 507).

– Eine Einigungsgebühr ist angefallen und zu erstatten, wenn der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers dem Unfallgeschädigten nach Klageerhebung den eingeklagten Betrag überweist und dem Kläger vorschlägt, bei Klagerücknahme auf Kostenanträge (§ 269 III ZPO) zu verzichten und wenn der Kläger dieses Angebot annimmt (AG München, Urteil vom 13.08.2009 – 341 C 10089/09 -; in: NZV-aktuell 11/09, VI).

– Würdigt das Berufungsgericht eine Zeugenaussage anders als das erstinstanzliche Gericht, ohne den Zeugen selbst zu vernehmen, liegt darin ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei (im Anschl. an BVerfG, NJW 2005, 1487 und BGH, FamRZ 2006, 946 = BeckRS 2006, 05648) (BGH, Beschluss vom 14.07.2009 – VIII ZR 3/09 -; in: NZV 2009, 553).

– Jede Partei muss im Berufungsverfahren mit der Zurückweisung von Beweisanträgen nach § 531 II Nr. 3 ZPO rechnen, wenn sie diese erstinstanzlich zurückhält und erst einmal abwartet, wie sich das Erstgericht zu dem schon vorgebrachten Prozessstoff und zum Ergebnis einer Beweisaufnahme stellt. Daher ist auch der Kläger, der Zeugen benannt hat, gehalten, sich schon erstinstanzlich zum Beweise seiner Unfalldarstellung jedenfalls hilfsweise au ein Sachverständigengutachten zu berufen für den Fall, dass das Gericht nach Vernehmung der Zeugen den Beweis nicht als geführt ansieht (KG, Beschluss vom 27.04.2009 – 12 U 65/09 -; in: NZV 2009, 596).

– 1. Die Hemmung der Verjährung wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien wird durch die Erklärung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten, grundsätzlich nicht berührt. Andererseits dienen auch Verhandlungen über einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung – im Erfolgsfall – der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und fallen daher in den Anwendungsbereich des § 203 BGB. 2. Eine reine Schadensanmeldung stellt für sich genommen noch keine Aufnahme von Verhandlungen dar; dies ändert sich jedoch – mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Schadensmeldung -, sobald der derart in Anspruch genommene nicht sofort und eindeutig den Ersatz ablehnt, sondern sich im weiteren Verlauf auf eine Erörterung einlässt und sei es auch nur, in dem er darauf hinweist, noch nicht über die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen für eine Haftungsanerkennung zu verfügen, wohl aber sich zu einem zeitlich begrenzten Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede bereit erklärt (OLG –Rheinschifffahrtsobergericht – Karlsruhe, Urteil vom 29.09.2009 – 22 U 4/09 RhSch -; in: NZV 2009, 606).

– 1. Zur Verwertung der Feststellungen eines Strafurteils im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess wegen desselben Unfalls. 2. Steht nach dem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen fest, dass der Sturz einer Fußgängerin durch den Anstoß eines Fahrzeugs verursacht wurde und kommen zwei Kraftfahrzeuge als Verursacher des Sturzes einer Fußgängerin in Betracht, so kann die strafgerichtliche Verurteilung eines der Fahrer im Zivilprozess nicht unberücksichtigt bleiben (KG, Beschluss vom 02.07.2009 – 12 U 113/09 -; in: NZV-aktuell 1/2010, VI).

– Prozesskostenhilfe kann einer klagenden Partei nicht schon deshalb versagt werden, weil sie vorgerichtlich die Begutachtung durch einen von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners beauftragten medizinischen Sachverständigen abgelehnt hat. Eine Klage trotz einer solchen Ablehnung ist nicht „mutwillig“ im Sinne des § 114 ZPO (KG, Beschluss vom 30.11.2009 – 12 W 44/09 -; in: NZV-aktuell 1/2010, VI).

– 1. Lediglich geschätzte Geschwindigkeits-, Zeit- und Entfernungsangaben von Zeugen stellen ohne Einbeziehung ausreichender Bezugstatsachen erfahrungsgemäß keine verlässliche Entscheidungsgrundlage dar, weil das Geschwindigkeits-, Zeit- und Entfernungsempfinden individuell verschieden und von subjektiven Faktoren abhängig ist. 2. Spontane und unverfälschte Äußerungen am Unfallort haben im Rahmen der Beweiswürdigung eine starke Bedeutung, weil sie erfahrungsgemäß richtig sind. 3. Die Behauptung, das Fahrzeug habe nicht nur kurz, sondern längere Zeit vor dem Unfall gestanden, kann nicht mittels eines Sachverständigengutachten bewiesen werden (KG, Beschluss vom 17.08.2009 – 12 U 226/08 -, in: NZV-aktuell 2/2010, IV).

– Eine Hemmung der Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen endet auch dann, wenn die Verhandlungen der Parteien „einschlafen“; die von der Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB a. F. entwickelten Grundsätze sind auf das neue Verjährungsrecht zu übertragen (BGH, Urteil vom 06.11.2008 – IX ZR 158/07 -).

– Ein strafgerichtliches Urteil entfaltet zwar für den Zivilprozess keine Bindungswirkung (§ 14 II Nr. 1 EGZPO a. F.). Gleichwohl können die in einem Strafurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Zivilprozess als Beweismittel verwertete werden (KG, KG-Report Berlin 2006, 329; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 727). Dabei wird in der Regel den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein, sofern nicht gewichtige Gründe für deren Unrichtigkeit von den Parteien vorgebracht werden (OLG Köln, FamRZ 1991, 580 ff. m. w. Nachw.) (KG, Beschluss vom 02.07.2009 – 12 U 113/09 -; in: NZV 2010, 153).

– Die deutschen Gerichte sind für die Direktlage eines Inländers gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer eines anderen Mitgliedstaates (hier Frankreich) gem. Art. 11 II, 9 EuGVVO auch zuständig, wenn sich der Verkehrsunfall in der Schweiz ereignet hat. 2. Das gilt auch, wenn eine inländische GmbH bei dem Verkehrsunfall geschädigt worden ist (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.09.2009 – 1 U 119/09 -; in: NZV 2010, 198).

– Erklärt sich der Kläger im ersten Rechtszug mit der urkundsbeweislichen Verwertung schriftlich vorliegender Zeugenerklärungen zum Verkehrsunfall einverstanden, so ist er im Berufungsverfahren mit dem Antrag, die Zeugen gerichtlich vernehmen zu lassen, nach § 531 II ZPO ausgeschlossen (KG, Beschluss vom 06.07.2009 – 12 U 122/08 -; in: NZV 2010, 201).

– 1. Prozesskostenhilfe kann einer klagenden Partei nicht schon deshalb versagt werden, weil sie vorgerichtlich die Begutachtung durch einen von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Unfallgegners beauftragten medizinischen Sachverständigen abgelehnt hat. 2. Eine Klage trotz einer solchen Ablehnung ist nicht „mutwillig“ im Sinne des § 114 ZPO (KG, Beschluss vom 30.11.2009 – 12 W 44/09 -, in: NZV 2010, 202).

– Rügt der Berufungsführer einen unterlassenen Hinweis des Landgerichts, muss er spätestens mit der Berufungsbegründung vortragen, was er bei einem erteilten Hinweis vorgetragen hätte (KG, Beschluss vom 27.07.2009 – 12 U 200/08 -, in: NZV 2010, 202).

– Die für einen Unfallhergang beweisbelastete Partei ist durch Vorlage eines von beiden Unfallbeteiligten unterzeichneten „Unfallberichts“ von den Beweisanforderungen, denen sie ohne den „Unfallbericht“ zur Erreichung ihres Prozessziels genügen müsste, zunächst enthoben. Die Notwendigkeit, die ihr Prozessbegehren tragenden Behauptungen weitergehend zu beweisen, trifft sie erst dann, wenn der anderen Partei der Nachweis der Unrichtigkeit des im „Unfallbericht“ festgehaltenen Unfallhergangs gelingt (OLG Dresden, Urteil vom 09.12.2009 – 7 U 949/09 -; in: NZV 2010, 256).

– Persönliche Erklärungen der Partei als unmittelbaren Wissensträger gehen im Konfliktfall der anwaltlichen Darstellung in Schriftsätzen vor (KG, Beschluss vom 03.09.2009 – 12 U 136/09 -; in: NZV-aktuell 4/2010, IV).

– 1. Steht fest, dass am Klägerfahrzeug nicht kompatible Schäden vorhanden sind, und ist nicht auszuschließen, dass auch die kompatiblen Schäden auf einem früheren Schadensereignis als dem streitgegenständlichen beruhen, so ist die Klage insgesamt abzuweisen, weil nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass durch den zweiten, streitgegenständlichen Unfall ein weiterer Schaden verursacht worden ist. 2. Dieser Grundsatz entspricht den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess und beinhaltet nicht zwingend den Vorwurf eines unredlichen Verhaltens an den Kläger; der Grundsatz kann sich vielmehr zu Lasten des Verkehrsteilnehmers auswirken, der Vorschäden nicht sach- und fachgerecht beseitigten Fahrzeug am Verkehr teilnimmt (KG, Beschluss vom 13.08.2009 – 12 U 207/08 -; in: NZV-aktuell 4/2010, VI).

– 1. Nach einem Verkehrsunfall in den Niederlanden ist das Wohnsitz-Gericht des deutschen Unfallgeschädigten für die Direktklage gegen den niederländischen Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers örtlich und sachlich zuständig. 2. Die Schadensersatzpflicht des Schädigers richtet sich nach niederländischem Recht. 3. Auch auf der Grundlage des niederländischen Rechts (Art. 162 BW) kann die Höhe der Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 geschätzt werden (AG Borken, Urteil vom 21.01.2010 – 12 C 164/08 -; in: NZV-aktuell 4/2010, VI).

– 3. Beruft sich ein Unfallbeteiligter zu seinen Gunsten auf eine Sorgfaltverletzung des Gegners, so muss er diese beweisen (KG, Beschluss vom 10.09.2009 – 12 U 216/08 -; in: NZV-aktuell 4/2010, IV).

– 1. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. 2. Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss. 3. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen fachgerecht beseitigt worden ist (KG, Beschluss vom 12.11.2009 – 12 U 9/09 -; in: NZV-aktuell 5/2010, IV).

– Das Gericht ist nicht gehalten, auf Antrag des Klägers dessen behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen über die Unfallursächlichkeit der Beschwerden zu hören, wenn der Kläger nicht darlegt, diese hätten insoweit objektivierbare Befunde erhoben (KG, Beschluss vom 03.12.2009 – 12 U 232/08 -; in: NZV-aktuell 5/2010, IV).

– Der Berufungskläger hat nicht nur im Falle der Rücknahme der Berufung nach Hinweis auf deren Erfolglosigkeit (so BGH, Beschluss vom 7.2.2006 – XI ZR 9/05 – NJW-RR 2006, 1147), sondern gleichfalls im Falle der Zurückweisung seiner Berufung durch Beschluss nach § 522 ZPO auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen, weil diese durch die Zurückweisung der Berufung ihre Wirkung verloren hat, ohne dass über deren Zulässigkeit oder Begründetheit entschieden worden wäre (KG, Beschluss vom 28.7.2009 – 12 U 169/08 -; in: NZV 2010, 254).

– Es stellt einen unzulässigen Ausforschungsbeweis da, wenn eine an einem Unfall im Straßenverkehr beteiligte Partei behauptet, die Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeugs sei wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Gegners erhöht gewesen und hierfür ein Sachverständigengutachten anbietet, wenn sie für ihre Behauptung keinerlei plausible Tatsachen vortragen kann und ihr Vortrag daher aufs Geratewohl und „ins Blaue hinein“ abgegeben wird (LG Marburg, Urteil vom 29.03.2010 – 2 O 226/09 -; in: NZV 2010, 348).

– 1. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. 2. Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss. 3. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn der Kl. dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbarer Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen fachgerecht beseitigt worden ist (KG, Beschluss vom 12.11.2009 – 12 U 9/09 -; in: NZV 2010, 349).

Leistet die Versicherung dem Unfallgegner vorbehaltlos Schadensersatz, so trägt sie im nachfolgenden Bereicherungsprozess die volle Beweislast dafür, dass alle der geltend gemachten Schäden nicht auf den Unfall zurückzuführen sind, Dies gilt auch dann, wenn feststeht, dass der Unfallgegner zumindest einige der Vorschäden verschwiegen hat (LG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2009 – 22 S 398/08 -; in: NZV 2010, 349).

– 1. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. 2. Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss. 3. Für einen derartigen Vortrag reicht die Vorlage einer bloßen „Reparatur-Bestätigung“ einer Kfz-Werkstatt ohne konkrete Angaben zu näheren Einzelheiten von Art und Umfang der Reparatur nicht. Auch der Umstand, dass es sich um einen „Kfz-Meisterbetrieb“ gehandelt hat, begründet kein aussagekräftiges Indiz dafür, dass die Reparatur sach- und fachgerecht erfolgt ist und der Schaden nicht nur optisch beseitigt wurde. Als Beleg der sach- und fachgerechten Reparatur reicht auch nicht die Vorlage der Rechnung einer Reparaturwerkstatt, wenn der Kl. dieselbe Rechnung in einem weiteren Rechtsstreit zum Beleg der Beseitigung eines anderen, etwa ein Jahr zuvor eingetretenen Unfallschadens eingereicht hat (KG, Urteil vom 29.06.2009 – 12 U 146/08 -; in: NZV 2010, 350).

– Ein Versicherungsnehmer, der sich im Verkehrsunfallprozess gegen den von seinem mitverklagten Haftpflichtversicherer gegen ihn erhobenen Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs verteidigen will, handelt nicht mutwillig im Sinne von § 144 Satz 1 ZPO, wenn er Prozesskostenhilfe für die Vertretung durch einen eigenen Anwalt begehrt, obwohl ihm der Haftpflichtversicherer als Streithelfer beigetreten ist und dessen Prozessbevollmächtigter auf diesem Wege auch für ihn Klageabweisung beantragt hat (BGH, Beschluss vom 06.07.2010 – VI ZR 31/08 -).

Beantragt die Partei in einem nachgelassenen Schriftsatz die Ladung des Sachverständigen zum Zwecke der Beantwortung ergänzender Fragen, so hat das Gericht den Sachverständigen auch dann antragsgemäß zu laden, wenn es selbst meint, die angekündigten Fragen seien nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachtens in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2009 – VIII ZR 295/08 -; in: NZV-aktuell 7/2010, IV).

– 1. Es obliegt dem Geschädigten, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzulegen und zu beweisen. 2. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. 3. Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss (KG, Urteil vom 22.02.2010 – 12 U 59/09 -, in: NZV 2010, 580).

– Bei unstreitigen Vorschäden im Anstoßbereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss; anderenfalls kann die unfallbedingte Schadenshöhe grundsätzlich nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden (KG, Urteil vom 11.03.2010 – 12 U 115/09 -; in: NZV-aktuell 8/10, VI).

– 1. Lediglich geschätzte Geschwindigkeits-, Zeit und Entfernungsangaben von Zeugen stellen ohne Einbeziehung ausreichender Bezugstatsachen erfahrungsgemäß keine verlässliche Entscheidungsgrundlage dar, weil das Geschwindigkeits-, Zeit- und Entfernungsempfinden individuell verschieden und von subjektiven Faktoren abhängig ist. 2. Spontane und unverfälschte Äußerungen am Unfallort haben im Rahmen des Beweiswürdigung einer starke Bedeutung, weil sie erfahrungsgemäß richtig sind (KG, Beschluss vom 17.08.2009 – 12 U 226/08 -; in: NZV 2010, 395).

– 1. Weder die Notwendigkeit des Ansetzens eines Verkündungstermins noch des Gewährens einer Schriftsatzfrist ist eine durch verspätetes Vorbringen verursachte Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne des § 296 ZPO. 2. Bei unstreitigen Vorschäden im Anstoßbereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss; anderenfalls kann die unfallbedingte Schadenshöhe grundsätzlich nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden (KG, Beschluss vom 11.03.2010 – 12 U 115/09 -; in: NZV 2010, 579).

Unterlässt das erstinstanzliche Gericht jegliche Beweisaufnahme und hört sich nicht die Parteien an, liegt ein zur Zurückweisung führender erheblicher Verstoß gegen Art. 103 GG vor (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.07.2010 – 22 U 14/10 -; in: NZV 2010, 623).

– Das Gericht ist nicht gehalten, auf Antrag des Kl. dessen behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen über die Unfallursächlichkeit der Beschwerden zu hören, wenn der Kl. nicht darlegt, diese hätten insoweit objektivierbare Befunde erhoben (KG, Beschluss vom 03.12.2009 – 12 U 232/08 -; in: NZV 2010, 624).

– 1. Beantragt die Partei in einem nachgelassenen Schriftsatz die Ladung des Sachverständigen zum Zweck der Beantwortung ergänzender Fragen, so hat das Gericht den Sachverständigen auch dann antragsgemäß zu laden, wenn es selbst meint, die angekündigten Fragen seinen nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachtens in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1361 = NJW 2009, 3660 LS) (KG, Urteil vom 01.03.2010 – 12 U 126/09 -; in: NZV 2011, 34).

– Ist eine Partei zusammen mit einer anderen Partei als Gesamtschuldner verurteilt worden, entfällt ihre Beschwer nicht schon dadurch, dass die andere Partei den Urteilsbetrag zahlt (BGH, Beschluss vom 07.12.2010 – VI ZB 87/09 -; in: NZV 2011, 243).

– 1. Würdigt das Berufungsgericht die Aussage eines in erster Instanz vernommenen Zeugen anders als die Vorinstanz, ohne den Zeugen erneut zu vernehmen, so verletzt es das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei. 2. Durch Anhörung des Versicherungsnehmers darf die Überzeugung vom Vorliegen des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung nur dann gewonnen werden, wen dem Versicherungsnehmer ein Zeuge nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschluss vom 10.11.2010 – VI ZR 122/09 -).

– 1. Zum Beweis der Behauptung, das unfallgeschädigte Fahrzeug habe im Unfallzeitpunkt einen bestimmten Wiederbeschaffungswert gehabt, ist ein sachverständiger Zeuge kein geeignetes Beweismittel. 2. Denn es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, auf Grund von Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen (Hinweisbeschluss vom 01.12.2010 – 12 U 55/10 -; in: NZV aktuell 6/2011, IV).

– a) Für die Frage, ob das Fernbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen im Termin nach § 141 ZPO angeordnet ist, genügend entschuldigt ist, kommt es nicht auf ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an; die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung. b) Da ein Ordnungsgeld nur festgesetzt werden kann, wenn da unentschuldigte Ausbleiben einer Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, scheidet die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 141 Abs. 3 Satz 1, § 381 ZPO aus, falls eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung scheitert und die Erledigung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme in einem gesonderten Termin erfordert (BGH, Beschluss vom 22.06.2011 – I ZB 77/10 -).

– 1. Zum Beweis der Behauptung, das unfallgeschädigte Fahrzeug habe im Unfallzeitpunkt einen bestimmten Wiederbeschaffungswert gehabt, ist ein sachverständiger Zeuge kein geeignetes Beweismittel. 2. Denn es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, auf Grund von Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen (KG, Beschluss vom 01.12.2012 – 12 U 55/10 -; in: NZV 2011, 391).

– 1. Im Verkehrsunfallprozess besitzt eine an der Unfallstelle abgegebene spontane Äußerung im Regelfall nicht die Rechtswirkungen eines konstitutiven oder deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Allerdings ist die Unfallschilderung eines Unfallbeteiligten im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO als gewichtiges Indiz zu würdigen. 2. Eine volle Umkehr der Beweislast kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich der Unfallgegner noch an Ort und Stelle weigert, seine mündliche Unfallschilderung schriftlich zu bestätigen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.03.2011 – 4 U 370/10 -; in: NZV 2011, 400).

– 1. Würdigt das Berufungsgericht die Aussage eines in erster Instanz vernommenen Zeugen anders als die Vorinstanz, ohne den zeugen erneut zu vernehmen, so verletzt es das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei. 2. Durch Anhörung des Versicherungsnehmers darf die Überzeugung vom Vorliegen des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung nur dann gewonnen werden, wenn dem Versicherungsnehmer ein Zeuge nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschluss vom 10.11.2010 – IV ZR 122/09 -; in: NZV 2011, 335).

– Reicht das medizinisch-technische Erfahrungswissen nicht aus, um den sicheren, durch objektivierbare Befunde gestützten Nachweis für leichtgradige Verletzungsfolgen (im Fall: eine leichtgradige HWS-Distorsion) zu führen, begegnet es auch im Anwendungsbereich des § 286 ZPO keinen durchgreifenden Bedenken, wenn das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsche insbesondere aus der Glaubhaftigkeit und Plausibilität des Klägervortrags herleitet (OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.06.2010 – 4 U 468/09 -; in: NZV 2011, 340).

– 1. Ein Anlass zur Klage besteht regelmäßig dann nicht, wenn der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte es entgegen § 119 III VVG unterlässt, berechtigt angeforderte Auskünfte zu erteilen und Belege zur Verfügung zu stellen. Dies gilt ensprechend für Fotos eines Schadensgutachtens. 2. Freilich darf auf diesem Wege nicht ein dilatorisches Verhalten eines Haftpflichtversicherers honoriert werden, das auf eine sachlich nicht gerechtfertigte oder gar schkanöse Regulierungsverzögerung angelegt ist. 3. Unabhängig von der Verfahrenswahl (schriftliches Verfahren oder früher erster Termin) müssen zunächst einmal erst alle Gründe entfallen sein, die es einem Bekl. vorprozessual erlaubten, die Erfüllung zu verweigern; solange sie fortbestehen, bleibt ein sofortiges Anerkenntnis, wenn diese Gründen dann entfallen, immer noch möglich (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2011 – 1 W 61/11 -; in: NZV 2012, 189).

– In Verkehrsunfallsachen sind die unfallbeteiligten Parteien grundsätzlich von Amts wegen anzuhören; das Unterlassen einer Parteianhörung oder Parteivernahme von Amts wegen stellt einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (OLG München, Schlussurteil vom 13.05.2011 – 10 U 3951/10 -; in: NZV 2012, 74).

– Der Versicherer ist nicht allein deshalb, weil er anfangs vorbehaltslos ein geringes Schmerzensgeld gezahlt hat, gehindert, im Prozess die behauptete HWS-Verletzung zu bestreiten; in der Zahlung liegt i. d. R. keine Schuldbestätigung des Inhalts, die behauptete HWS-Verletzung werde als unfallbedingte Verletzung und damit die Haftung frü die Folgen anerkannt (KG Berlin, Urteil vom 11.04.2011 – 22 U 1/10 -; in: NZV 2011, 442).

– 1. Nach dem Unfalltod eines Kindes, welches noch nicht erwerbstätig (und demgemäß gegenüber seinen Eltern auch nicht unterhaltspflichtig) ist, besteht ein Feststellungsinteresse der Eltern im Hinblick auf eine spätere mögliche Unterhaltspflicht des Kindes ihnen gegenüber. 2. Das Feststellungsinteresse fehlt, sofern der Haftpflichtversicherer ausdrücklich einen künftigen möglichen Schadensersatzanspruch der Eltern gem. § 844 II 1 BGB anerkennt und sie dadruch materiellrechtlich so stellt, als ob sie eine gerichtliche Feststellung der Schadensersatzpflicht erwirkt hätten. 3. Es besteht kein Feststellungsinteresse an einer gerichtlichen Festlegung mit dem Inhalt, welche berufliche Stellung und welches Arbeitseinkommen das getötete Kind ohne den Unfall gehabt hätte. Denn dies betrifft nur eine von mehreren Berechnungsgrundlagen, aber nicht das Rechtsverhältnis selbst (OLG Oldenburg, Urteil vom 19.01.2011 – 5 U 48/10 -; in: NZV 2011, 446).

– Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur entcheidung berufene Gericht (BGH, Urteil vom 18.12.2012 – VI ZR 55/12 -; in: NZV 2013, 231).

– Der antragsgemäß ergangene Feststellunganspruch, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger künftig materiellen Schaden aus einem bestimmten Unfall zu ersetzen, bezieht sich auf alle materiellen Schäden, die ab Eingang der Klageschrift bei Gericht entstanden sind bzw. entstehen. Dies gilt auch dann, wenn die Klage unter dem Vorbehalt der vorherigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben worden ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 08.07.2013 – 9 W 5/13 (PKH) -; in: NZV 2014, 80).

– Die Anwendung des § 287 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer feststehenden Verletzung beschränkt, sondern umfasst auch weitere Körperschäden aus derselben Schädigungsursache (OLG Köln, Urteil vom 19.02.2014 – 16 U 99/10 -; in: NZV 2014, 517).

– 1. Das vom Geschädigten in einem Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall vorgelegte Schadensgutachten eines von ihm beauftragten Sachverständigen stellt substantiierten Parteivortrag dar. Werden Feststellungen im Schadensgutachten bestritten, ist auf Antrag des Geschädigten über die erhblichen Tatsachen Beweis zu erheben. 2. Zur Darlegung des Wiederbeschaffungswerts eines unfallbeschädigten Fahrzeugs, das unstreitig einen reparierten Vorschaden an anderer, deutlich abgrenzbarer Stelle erlitten hatte, genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast jedenfalls dann, wenn er einen durch Privatgutachten unterlegten Wert behaupet, der Vorschaden durch ein Schadensgutachten aktenkundig ist und der Geschädigte zudem unter Beweisantritt behauptet, dass dem Privatsachverständigen der Vorschaden bekannt gewesen ist. Der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Wertfeststellung steht dann nicht entgegen, dass der Kläger mangels eigener Kenntnisse nicht zu den konkreten den Vorschaden betreffenden Reparaturmaßnahmen vorträgt (OLG Hamm, Urteil vom 27.02.2014 – 6 U 147/13 -; in: NZV 2015, 37).

– 1. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten kann grundsätzlich von Amts wegen und ohne Bindung an den Parteivortrag eingeholt werden. 2. Weil das Gericht sein Ermessen dahin ausüben, keine Beweisaufnahme durchzuführen, muss es den Beweisführer hierauf hinweisen, um ihm einen Beweisantrag zu ermöglichen. Erst wenn daraufhin kein Beweisantrag gestellt wird, kann man in der Regel die Pflicht zur Amtswegigen Einholung eines Sachverständigengutachtens verneinen (OLG München, Urteil vom 10.01.2014 – 10 U 2231/13 -; in: NZV 2015, 38).

– 1. Bei Zurückweisung der Berufung des Berufungsklägers druch einstimmigen Beschluss nach h§ 522 II ZPO sind auch die Kosten einer hierdurch ihre Wirkung verliegenden Anschlussberufung des Berufungsbeklagten im Regelfall vollständig dem Berufungskläger aufzuerlegen. 2. Abweichend davon sind, soweit der Berufungsbeklagte in zweiter Instanz im Rahmen einer Anschlussberufung eine Klageerweiterung vornimmt, bei Zurückweisung der Berufung des Berufungsklägers im Beschlusswege nach § 522 II ZPO die durch die Klageerweiterung ausgelösten Kosten (im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung) regelmäßig dem Berufungsbeklagten aufzuerlegen (KG, Beschluss vom 30.10.2013 – 26a 98/13 -; in: NZV 2015, 32).

– Bei einem Verkehrsunfall unter Beteiligung von Fahrzeugen mit eingebautem Antiblockiersystem (ABS) bzw. „Automatischem Blockierverhinderer“ (ABV) in der Wortwahl des § 41 b StVZO sprechen fehlende Bremsspuren weder für eine maßvolle Geschwindigkeit noch gegen eine Vollbremsung (OLG Naumburg, Urteil vom 10.01.2014 – 10 U 11/13 -; in: NZV 2015, 34).

– 1. Zur Rechtskraftwirkung eines im Adhäsionsverfahren ergangenen rechtskräftigen Urteils über einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag. 2. Die in einem Strafverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Antrag, durch den der Verletzte den ihm aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch getlend macht, steht gem. § 406 III 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Urteil gleich. Nur soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er nach § 406 III 3 StPO anderweit geltend gemacht werden.(BGH, Urteil vom 20.01.2015 – VI ZR 27/14 -; in: NZV 5/2015, 228, 229).

1. Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung. 2. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen (hier hinreichender Angriff bejaht hinsichtlich der landgerichtlichen Annahme, die Klägerin treffe jedenfalls ein anspruchsausschließendes Mitverschulden an einer Sturzverletzung). (BGH, Beschluss vom 10.02.2015 – VI ZB 26/14 -; in: NZV 8/2015, 377).

– 1. Die Berufungsbegründung muss eine aus sich heraus verständliche Angabe enthalten, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. 2. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. (BGH, Beschluss vom 03.03.2015 – VI ZB 6/14 -; in: NZV 8/2015, 378).

– 1. Das Gericht kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe § 124 I Nr. 1 ZPO aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat. 2. Dass die Unwahrheit des Parteivortrags sich erst nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt, steht der Entziehung der Prozesskostenhilefe nicht entgegen. (OLG Hamm, Beschluss vom 14.11.2014 – I-9 U 165/13 -; in NZV 9/2015, 452).

– 1. Zur Haftung wegen eines Verkehrsunfalls nach französischem Recht. 2. Französisches Recht ist auf Ansprüche aus einen Verkehrsunfall anzuwenden, der sich in Frankreich ereignet hat. 3. Die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bestimmt sich in Verfahren mit internationalen Bezug nicht nach dem ausländischen Sachrecht (lex causae), sondern nach den Regeln des deutschen Zivilprozessrechts als dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori). Grund hierfür ist, dass es sich beim Anscheinsbeweis um eine Beweiswürdigung handelt, mithin um eine Norm des Verfahrensrechts, die den Richter berechtigt und verpflichtet, die durch Erfahrungssätze begründete Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer behaupteten Tatsache zur Überzeugungsbildung und damit zum Beweis ausreichen zu lassen. ( LG Saarbrücken, Urteil vom 11.05.2015 – 13 S 21/15 -; in: NZV 10/2015, 488).

– Wird ein Rechtsanwalt durch beide Ehepartner beauftragt, können die Rechtsanwaltskosten beider Eheleute isoliert geltend gemacht werden, wenn sich die Ansprüche auf völlig unterschiedliche materielle Schadenspositionen beziehen, vom Prozessbevollmächtigten getrennte Akten geführt werden und die Vollmachten an verschiedenen Orten unterzeichnet wurden. Dem steht nicht entgegen, dass beide Vollmachten am gleichen Tag unterschrieben wurden. ( LG Passau, Urteil vom 21.05.2015 – 3 S 101/14 -; in: NZV 1/2016, 38).

– a) Eine Parteivernehmung von Amts wegen kommt nur in Betracht, wenn zuvor alle angebotenen Beweismittel ausgeschöpft worden sind und keinen vollständigen Beweis erbracht haben. Weiterhin muss die beweisbelastete Partei alle ihr zumutbaren Zeugenbeweise angetreten haben. b) Dagegen ist es zur Wahrung der Subsidiarität der Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht erforderlich, dass die beweisbelastete Partei eine im Lager des Prozessgegners stehende Person als Zeugen benennt. Erst recht muss sie nicht die Parteivernehmung des Gegners beantragen (BGH, Urteil vom 12.12.2019 – III ZR 198/18; in: IWW).

– 1. Kosten eines vor dem Rechtsstreit von einer Partei eingeholten Privatgutachtens sind ausnahmsweise zu erstatten, wenn ein solches Gutachten gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben wurde (Prozessbezogenheit); dabei wird grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit zu verlangen sein. 2. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Detektivkosten, die eine Partei veranlasst, um zeitnah und prozessbezogen einem Verdacht der Unfallmanipulation nachzugehen (OLG Bremen, Beschluss vom 08.09.2015 – 2 W 82/15 -; in: NZV 6/2016, 286).

-Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar. (BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14 -; in: NZV 8/2016, 365).

 

Straf-/Ordnungswidrigkeitenrecht

– Das Ausbleiben des Betroffenen in Fällen der Erkrankung ist nicht erst dann entschuldigt, wenn er verhandlungsunfähig ist. Es genügt, dass ihm infolge der Erkrankung das Erscheinen der Gericht nicht zuzumuten ist. Mangels Pflichtverletzung kann er zudem in subjektiver Hinsicht entschuldigt sein, etwa weil er im Vertrauen auf ein ärztliches  Attest davon ausging, am Erscheinen gehindert zu sein (KG, Beschluss vom 22.03.2002 – 2 Ss 21/01-3 Ws (B) 48/02 -, in: NZV 2002, 421).

– Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts, nämlich zu seiner Identifizierung, erforderlich, wenn er bei einem durch ein Lichtbild erfassten Verkehrsverstoß lediglich „nicht bestreitet“, zum Tatzeitpunkt der Fahrer des Fahrzeugs gewesen zu sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2006 – IV – 2 Ss (OWi) 180/06 – (OWi) 92/06 III -, in: NZV 2007, 251).

– Das Gericht kann zwar einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zunächst ohne Begründung ablehnen. Spätestens im Urteil ist das Gericht aber gehalten, sich mit der Folge auseinander zu setzen, warum es dem Antrag des Betroffenen nicht entsprochen hat (KG, Beschluss vom 17.03.2006 – 2 Ss 49/06-3 Ws (B) 136/06 -, in: NZV 2007, 253).

– 1. Der Betroffene kann nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das Gericht einem Antrag auf Entbindung von der Erscheinungspflicht nach § 73 II OWiG stattgeben wird. 2. Für die Frage der Erscheinungspflicht ist es bei gebuchter Urlaubsreise entscheidend, ob die feste Buchung vor oder nach Erhalt der Ladung vorgenommen worden ist. Im zweiten Fall hat die Erscheinungspflicht Vorrang (LG Berlin, Beschluss vom 15.12.2006 – 536 Qs 373/06 -, in: NZV 2007, 253).

– 1. Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Amtsgericht seinem Antrag, ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 II OWiG), zu Unrecht nicht entsprochen und seinen Anspruch nach § 74 II OWiG verworfen hat. Allein die spekulative Erwägung, der Betroffene könne seinen Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Erscheinungspflicht zu verweigern. 2. Auch die Begründung, das Gericht müsse sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen machen, auch für die Frage, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt, rechtfertigt die Ablehnung nicht (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.07.2007 – 2 Ss 160/07 -, in: NZV-aktuell 10/2007, VIII; NZV 2007, 587).

– Liegen die Voraussetzungen nach § 73 II OWiG vor, muss das Gericht dem Antrag des Betr., ihn von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden, entsprechen. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu (OLG Hamm, Beschluss vom 02.08.2007 – 2 Ss OWi 462/06 -, in: NZV 10/2007, VI).

– Der Anspruch des Betr. auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das AG seinen Antrag, ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 II OWiG), zu Unrecht nicht entsprochen und seinen Anspruch nach § 74 II OWiG verworfen hat. Die Erwägung, das Gericht müsse sich ein Bild vom Betr. machen, reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Erscheinungspflicht zu verweigern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.06.2007 – IV-2 Ss (OWi) 60/07 -, in: NZV-aktuell 10/2007, VI; NZV 2007, 586).

– Liegen die Voraussetzungen nach § 73 II OWiG vor, muss das Gericht dem Antrag des Betr., ihn von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden, entsprechen. Ein Ermessen steht ihm insoweit nicht zu (OLG Hamm, Beschluss vom 02.08.2007 – 2 Ss OWi 462/07 -, in: NZV 2007, 632).

– Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Amtsgericht seinem Antrag, ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 II OWiG), zu Unrecht nicht entsprochen und seinen Einspruch nach § 74 II OWiG verworfen hat. Allein die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Erscheinenspflicht zu verweigern (KG, Beschluss vom 04.09.2006 – 2 Ss 213/06 – 3 Ws (B) 447/06 -, in: NZV 2007, 633).

– Gegen die Verfügung des Vorsitzenden, durch die ein Terminsverlegungsantrag abgelehnt wird, ist die Beschwerde dann statthaft, wenn eine in fehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für Verfahrensbeteiligte eine besondere selbstständige Beschwer bewirkt, weil sie unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt, sich des Beistands eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung evident ist (OLG Dresden, Beschluss vom 28.06.2004 – 1 Ws 121/04 – , in: NJW 2004, 3196).

– Stellt der Verteidiger rechtzeitig und mit nachvollziehbarer Begründung erstmals einen Antrag auf Verlegung eines Hauptverhandlungstermins, so wird einem solchen Gesuch bei einem den Tatvorwurf bestreitenden Betroffenen in der Regel zu entsprechen sein, es sei denn, es handelt sich um einen eher einfach gelagerten Sachverhalt, zu dem der Betroffene ausreichend unter Wahrung seiner Verteidigungsrechte selbst Stellung nehmen kann (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2006 – 1 Ss 165/05 -, in: NZV 2006, 217).

– Die an den Erlass des Bußgeldbescheids gekoppelte Verlängerung der Verjährungsfrist wird nur wirksam, wenn er binnen zwei Wochen wirksam zugestellt wird. Erweist sich die Zustellung als unwirksam, wird mit dem Erlass des Bußgeldbescheids auch dann keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate bewirkt, wenn nach dem Erlass andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen wirksam getroffen werden. Im Falle der nur „verspäteten“, aber wirksamen Zustellung wäre der Zeitpunkt der späteren wirksamen Zustellung selbst dann für den Beginn der sechsmonatigen Verjährungsfrist maßgeblich, wenn zwischen dem Erlass und der Zustellung andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen werden (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2005 – 3 Ss OWi 1354/05 -, in: NZV 2006, 314).

– Für eine verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gem. § 33 I 1 Nr. 1 OWiG reicht es aus, dass der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst, wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen (BGH, Beschluss vom 22.05.2006 – 5 StR 578/05 – (OLG Brandenburg), in: NJW 2006, 2338; NZV 2006, 484)

– Der Tatrichter muss sich vor der auf § 77 II Nr. 2 OWiG gestützten Ablehnung eines Beweisantrages Gewissheit darüber verschaffen, ob die Hauptverhandlung mit der beantragten Beweiserhebung innerhalb der Frist des § 229 I StPO fortgeführt werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.2008 – 2 Ss OWi 864/07 -; NZV-aktuell 2/2008, VI; NZV 2008, 160).

– Die Verweisung in Art. 11 II der Verordnung (EG) Nr. 44.2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf Art. 9 I lit. b dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist (EuGH, Urteil vom 13.12.2007 – C-463/06 -; in: NJW 2008, 819).

– 1. Nimmt das Tatgericht in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich und eindeutig auf das in den Akten befindliche Messfoto Bezug, wird dieses nicht zum Bestandteil der Urteilsurkunde. Die bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten genügt insoweit nicht. Ohne eine entsprechende Bezugnahme bedarf es einer ausführlichen Beschreibung des Lichtbildes nach Inhalt und Qualität, insbesondere Bildschärfe. 2. Es ist nicht ausreichend, dass sich das Gericht ohne nähere Darlegung dem Gutachten eines anthropologischen Sachverständigen anschließt. Erforderlich ist vielmehr, in die Urteilsgründe eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung aufzunehmen (OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2008 – 3 Ss OWi 180/08 -; in: NZV-aktuell 3/2008, VI; NZV 2008, 211).

– Lichtbilder werden nur dann zum Bestandteil der Urteilssprüche, wenn die Bezugnahme deutlich und zweifelsfrei ist. Dazu muss klar sein, welche Fotos in einer Lichtbildmappe zur Identifizierung des Betr. als Fahrer herangezogen worden sind (Thüringer OLG, Beschluss vom 10.10.2007 – 1 Ss 356/06 -; in: NZV 2008, 165).

– 1. Das Rechtsbeschwerdegericht muss anhand der Urteilsurkunde in die Lage versetzt werden, überprüfen zu können, ob das Tatfoto zur Identifikation einer Person überhaupt geeignet ist. 2. Diese Anforderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder deutlich und zweifelsfrei gemäß § 267 I 3 StPO Bezug nimmt; – die bloße Mitteilung, dass die Überzeugung des Tatrichters von der Fahrereigenschaft des Betr. auf „den in Augenschein genommenen Lichtbildern“ beruht, reicht hierfür nicht aus. 3. Verzichtet der Tatrichter auf die Bezugnahme auf das Messfoto nach § 267 I 3 StPO, so ist es erforderlich, dass durch den Tatrichter Ausführungen zur Bildqualität gemacht werden, namentlich dahingehend, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Die einzelnen Identifizierungsmerkmale, auf die der Tatrichter seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft stützt, müssen so ausreichend präzise beschrieben werden, dass dem Rechtsbeschwerdegericht ein Eindruck vom Inhalt des Lichtbildes verschafft wird (OLG Bamberg, Beschluss vom 16.11.2007 – 3 Ss OWi 1510/07 -; in: NZV 2008, 166).

– Zustellungsmängel hindern den Verjährungseintritt nicht (AG Bremerhaven, Beschluss vom 24.07.2006 – 21 OWi 970 Js 24735/06 -; in: Mitteilungsbl. der ARGE Verkehrsrecht 2006, 173).

– Informatorische Befragungen vor Ort von der Polizei lösen den Schutz des § 252 StPO aus (OLG Zweibrücken, Urteil vom 30.06.2006 – 1 Ss 72/06 -; in: Mitteilungsbl. der ARGE Verkehrsrecht 2006, 173).

– Im Verkehrszentralregister bereits getilgte oder tilgungsreife strafrechtliche Vorahndungen, die noch im Bundeszentralregister enthalten sind, dürfen im Rahmen einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten herangezogen werden (OLG München, Beschluss vom 20.12.2007 – 4 St RR 222/07 -; in: NZV 2008, 216).

– 1. Die Entscheidung über einen Entbindungsantrag steht nicht im Ermessen des Gerichts. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, einem Entbindungsantrag im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73 II OWiG zu entsprechen. 2. Sofern der Betroffene seine Fahrereigenschaft einräumt und erklärt, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern, kann die persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung nur dann einer weiteren Sachaufklärung dienlich sein, wenn dafür die bloße physische Präsenz genügt (hier: verneint). 3. Das Unterlassen einer rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen sperrt die Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG mit der Folge der Fehlerhaftigkeit eines dennoch ergangenen Verwerfungsurteils (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.03.2008 – 2 Ss OWi 269/08 -; in: NZV-aktuell 5/2008, VI).

– Geht der Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen gut 4 Stunden vor Terminsbeginn bei Gericht ein, darf der Einspruch nicht ohne Entscheidung über den Antrag verworfen werden. Auf die Kenntnis des Tatrichters vom Eingang des Antrags kommt es nicht an (OLG Bamberg, Beschluss vom 30.10.2007 – 2 Ss OWi 1409/07 -; in: NZV 2008, 259).

– 1. Die Rechtfehlerhaftigkeit eines Verwerfungsurteils kann darauf beruhen, dass der Betroffene pflichtwidrig nicht von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden und daher im Falle seines Fernbleibens zu Unrecht als säumig behandelt worden ist, obwohl die Voraussetzungen einer Entbindung vorgelegen haben. In einem solchen Fall ist nicht nur einfaches Verfahrensrecht, sondern zugleich der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. 2. Auch die Ablehnung des Entbindungsantrages als solche kann eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellen (OLG Celle, Beschluss vom 07.05.2008 – 322 SsRs 106/08 -; in: NZV-aktuell 6/2008, VI).

– 1. Einem Angekl. darf nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet, weil er Zweifel an der festgestellten Blutalkoholkonzentration hat und infolge dessen auch keine Schuldeinsicht zeigt. 2. Bei einer Schätzung der Vermögensverhältnisse (§ 40 II StGB) hat das Tatgericht in den Urteilsgründen darzulegen, warum eine Schätzung erfolgt ist, auf welchen Einzelumständen sie beruht und welche Maßstäbe ihr zugrunde liegen (OLG Koblenz, Urteil vom 19.12.2007 – 1 Ss 339/07 -; in: NZV 2008, 367).

– Es liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung vor, wenn wegen erheblicher einschlägiger verkehrsrechtlicher Vorbelastungen sowohl die Geldbuße erhöht als auch ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers ausgesprochen werden (OLG Jena, Beschluss vom 21.09.2007 – 1 Ss 157/07 -; in: NZV 2008, 372).

– Bei der Fahreridentifizierung mit Lichtbild ist eine ausführliche Beschreibung nach Inhalt und Qualität erforderlich und wird ein Sachverständigengutachten verlangt, auch eine Darstellung der Anknüpfungstatsachen. Weiter muss auch das Messverfahren bezeichnet werden (OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2008 – 3 Ss OWi 180/08 -; in: DV 2008, 91).

– 1. In Fällen der Identifizierung eines Betr. Anhand von Lichtbildern müssen die Urteilsgründe so gefasst werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob die Beweisfotos überhaupt zur Identifizierung eines Person geeignet sind. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf die in den Akten befindlichen Beweisfotos Bezug nimmt; die Lichtbilder werden dann Bestandteil der Urteilsgründe, so dass es im Regelfall keiner weiteren Ausführungen bedarf. Verzichtet der Tatrichter dagegen auf diese Verweisung, muss das Urteil Ausführungen zu Bildqualität, -schärfe und –inhalt enthalten und die abgebildete Person (oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung der Fotos die Prüfung von deren Ergiebigkeit ermöglicht wird. 2. In Fällen der Geschwindigkeitsprüfung mittels Videoaufnahmen müssen die Urteilsgründe Feststellungen zu Fahrzeugabstand und Geschwindigkeit des Tatfahrzeugs enthalten; auch insoweit genügt die bloße Mitteilung des Ergebnisses der Überzeugungsbildung des Tatrichters nicht (OLG Bamberg, Beschluss vom 21.04.2008 – 2 Ss OWi 499/08 -; in: NZV 2008, 469).

– Selbst wenn aufgrund vom Täter zu verantwortender Trunkenheit eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 I StGB nicht in Betracht kommt, hat der Tatrichter ab Blutalkoholkonzentrationswerten von 2 ‰ in den Urteilsgründen die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern, weil es sich bei der Strafzumessung im engeren Sinn (§ 46 I und II StGB) – neben dem möglicherweise strafschärfend wirkenden Vorverschulden selbstverschuldete Berauschung) – zugunsten des Täters auswirken kann, wenn das durch die Alkoholisierung geminderte maß an Schuld die Schwelle des § 21 StGB überschreitet (OLG München, Beschluss vom 25.07.2008 – 4 St RR 107/08 -; in: NZV 2008, 529).

– 1. Zu den Anforderungen an die Rüge der Verletzung des § 74 II WOiG. 2. hat das Tatgericht einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht beschieden, muss es sich mit dem Antrag in dem Verwerfungsurteil auseinandersetzen (Anschluss an OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 273) (OLG Celle, Beschluss vom 20.08.2008 – 322 SsBs 187/08 -; in: NZV aktuell 10/2008, VI).

– 1. Bei der Verwendung eines stationären standardisierten Messverfahrens zum Beleg eine innerörtlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes reicht es grundsätzlich aus, dass das Urteil neben dem Hinweis, dass die Messung auf einem stationären standardisierten Verfahren beruht, die Nettorotlichtzeit mitteilt und dass die Fluchtlinie der Kreuzung überfahren wurde. 2. Der Mitteilung der konkreten Messtoleranz bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn ausgeschlossen werden kann, dass von der gemessenen und mitgeteilten Bruttorotlichtzeit unter Abzug des für den Betroffenen günstigsten Abschlages von 0,4 Sekunden die maßgebliche Nettorotlichtzeit unter einer Sekunde liegt. 3. Die Verweisung im Urteil auf „die Lichtbilder“ (§§ 267 I 3 stopp, 71 I OWiG) reicht auch ohne konkrete Verweisung auf Blattzahlen dann aus, wenn eine Verwechslung ausgeschlossen ist und die „Lichtbilder“ die im Urteil genannten Feststellungen eindeutig belegen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 06.08.2008 – 2 Ss-OWi 366/08 -; in: NZV 2008, 588).

– 1. Es stellt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 I GG dar, wenn das Gericht den Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ablehnt, ohne hierfür nachvollziehbare Gründe darzulegen. 2. Der Tatrichter hat einem Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entsprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Entpflichtung vorliegen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur VRS 105, 207). 3. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen nach § 73 II OWiG liegen vor, wenn der Betroffene einen dahingehenden Antrag gestellt und (sinngemäß) erklärt hat, er werde über die Anerkennung der Fahreigenschaft hinaus keinen Angaben machen. 4. Die Begründung, die Anwesenheit des Betroffenen sei zur Sachaufklärung zwingend erforderlich, da das Gericht eine Gegenüberstellung mit dem Zeugen für unabdingbar halte, reicht für die Zurückweisung des Entbindungsantrags nicht aus (OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 – 83 Ss – Owi 97/08 -; in: NZV aktuell 12/2008, VIII).

– 1. Es stellt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn der Täter den Antrag des Betr. auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ablehnt, ohne hierfür nachvollziehbare Gründe darzulegen. 2. Der Tatrichter hat einem Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entsprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Entpflichtung vorliegen (st. Rspr., vgl. nur VRS 105, 207). 3. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen nach § 73 II OWiG liegen vor, wenn der Betr. einen dahingehenden Antrag gestellt und (sinngemäß) erklärt, er werde über die Anerkennung der Fahrereigenschaft hinaus keine Angaben machen. 4. Die Begründung, die Anwesenheit des Betr. sei zur Sachaufklärung zwingend erforderlich, da das Gericht eine Gegenüberstellung mit dem Zeugen für unabdingbar halte, reicht für die Zurückweisung des Entbindungsantrags nicht aus (OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 – 83 Ss-OWi 97/08 -; in: NZV 2009, 52).

– 1. Um dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Erstgericht die Tatzeitblutalkoholkonzentration rechtlich zutreffend ermittelt hat, sind in den Urteilsgründen Einzelheiten zur Entnahme der Blutprobe erforderlich, insbesondere Angaben zum Trinkverlauf und zum Trinkenden. 2. Bei Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt darf sich der Tatrichter hinsichtlich der Tat selbst nicht damit begnügen, neben der Höhe der BAK und der Schuldform lediglich anzugeben, dass der Angekl. zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein Fahrzeug geführt hat. Da die Schuld in derartigen Fällen wesentlich durch die Gegebenheiten der Tat selbst bestimmt wird, sind auch dazu Angaben erforderlich (OLG Koblenz, Beschluss vom 29.10.2008 – 2 Ss 176/08 -; in: NZV 2009, 157).

– Wenn das Ausbleiben im Berufungshauptverhandlungstermin mit einer Erkrankung entschuldigt werden soll, ist zumindest detailliert darzulegen, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung beim Angekl. vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte (OLG Hamm, Beschluss vom 27.3.2008 – 2 Ws 80/08 – 2 Ss 96/08 -; in: NZV 2009, 158).

– 1. Es muss den Urteilsgründen bei einem dem Betroffenen zur Last gelegten Rotlichtverstoß zu entnehmen sein, ob der Betroffene nach Aufleuchten des Gelblichts vor der Ampelanlage das von ihm gesteuerte Fahrzeug ohne Gefährdung hätte zum Stehen bringen können. 2. Zu den Darlegungsanforderungen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.11.2008 – 3 Ss 220/08 -; in: NZV-aktuell 3/2009, VI).

– Unwirksamkeit eines Bußgeldbescheides bei nicht hinreichender Konkretisierung dadurch, dass mehrere Verkehrsampeln für den vorgeworfenen Verstoß infrage kommen (AG Kiel, Urteil vom 6.2.2006 – 39 OWi 551 Js OWi 58372/05 (60/05) -; in: DV 2009, 39).

– 1. Es muss den Urteilsgründen bei einem dem Betr. zur Last gelegten Rotlichtverstoß zu entnehmen sein, ob der Betr. nach Aufleuchten des Gelblichts vor der Ampelanlage das von ihm gesteuerte Fahrzeug ohne Gefährdung hätte zum Stehen bringen können. 2. Zu den Darlegungsanforderungen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.11.2008 – 3 Ss 220/08 -; in: NZV 2009, 201).

– Die Nichtentbindung des Betroffenen vom Erscheinen zur Hauptverhandlung kann dann nicht rechtsfehlerhaft sein, wenn der Betroffene angeregt hat, das Fahrverbot aus beruflichen Gründen entfallen zu lassen, seine Angaben hierzu unreichend sind und er nicht unmissverständlich klargestellt hat, auch hierzu keine weiteren Angaben machen zu wollen (OLG Oldenburg, Urteil vom 23.3.2009 – 2 Ss Bs 51/09 -; in: NZV aktuell 5/2009, VI).

– 1. Die Erheblichkeit eines ärztlichen Attestes darf nicht allein deshalb verneint werden, weil die Art der Erkrankung nicht angegeben ist. Zweifeln muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nachgehen. 2. In der Vorlage des Attestes liegt gleichzeitig eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht (OLG Hamm, Beschluss vom 3.6.2008 – 5 Ss OWi 320/08 -; in: NZV 2009, 247).

– Für die Frage der Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG ist unerheblich, dass ein Entbindungsantrag bei Erlass des Verwerfungsurteils noch nicht vorgelegen hat; maßgeblich ist allein, dass der Antrag bei gehöriger gerichtsinterner Organisation dem Tatrichter noch vor Sitzungsbeginn – und damit „rechtzeitig“ – hätte zugeleitet werden können (LG Berlin, Beschluss vom 11.3.2009 – 525 Qs 29/09 -; in: NZV aktuell 6/2009, VI).

– 1. Ein Sachvortrag zum Entschuldigungsgrund der Erkrankung erfordert für seine Schlüssigkeit zumindest die Darlegung eines krankheitswertigen Zustandes. Dies kann durch die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen erfolgen, ohne dass diesen die Art der Erkrankung zu entnehmen sein muss. Anderenfalls bedarf es zumindest entsprechenden Sachvortrags zu Art und Auswirkung der geltend gemachten Erkrankung, um dem Gericht die Grundlage für eine rechtliche Bewertung zu bieten, ob dem Betroffenen die Teilnahme an der Hauptverhandlung unzumutbar ist. 2. Die pauschale und ausschließliche Mitteilung des Verteidigers, der Betroffene sei erkrankt, genügt diesen Anforderungen nicht und begründet keine Verpflichtung des Gerichts, bei etwaigen Zweifeln weitere Feststellungen im Freibeweisverfahren zu treffen (OLG Bamberg, Beschluss vom 14.1.2009 – 2 Ss OWi 1623/08 -; in: NZV 2009, 304 und NJW 2009, 2151).

– Versäumt der Betroffene in einer Bußgeldsache krankheitsbedingt den Hauptverhandlungstermin, und wird sein Einspruch in der Folge gem. §74 II OWiG durch Urteil verworfen, so beginnt die Wochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht gem. § 45 I 1 stopp an dem versäumten Terminstag, sondern aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 74 IV 1 OWiG erst ab Zustellung des Verwerfungsurteils (LG Lüneburg, Beschluss vom 8.4.2009 – 26 Qs 72/09 -; in: NZV 2009, 305).

– 1. Die Feststellungen zum Unfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung sind lückenhaft, wenn das Urteil keine Angaben dazu enthält, mit welcher Messmethode die Geschwindigkeit ermittelt worden ist. 2. Dies wäre nur dann unschädlich, wenn der Betroffene den gegen ihn erhobenen Vorwurf uneingeschränkt eingeräumt hätte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.2.2009 – 2 Ss OWi 254/09 -; in: NZV 2009, 404).

– Ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 II OWiG kann noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden (OLG Celle, Beschluss vom 12.06.2009 – 311 SsRs 54/09 -; in: NZV aktuell 7/2009, VIII).

– Für die Frage der Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG ist unerheblich, dass ein Entbindungsantrag bei Erlass des Verwerfungsurteils noch nicht vorgelegen hat; maßgeblich ist allein, dass der Antrag bei gehöriger gerichtsinterner Organisation dem Tatrichter noch vor Sitzungsbeginn – und damit „rechtzeitig“ – hätte zugeleitet werden können (LG Berlin, Beschluss vom 12.3.2009 – 528 Qs 29/09 -; in: NZV aktuell 7/2009, VIII).

– Der Tatrichter ist nicht gehindert Voreintragungen zu verwerten, wenn der neue Verstoß vor Ablauf der 2-jährigen Tilgungsfrist der Voreintragungen (§ 29 I Nr. 1; VI StVG ) begangen wird, die neue Verurteilung aber erst innerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliegefrist (§ 29 VII StVG) erfolgt. Die Voreintragungen unterfallen in diesen Fällen keinem Verwertungsverbot. (Entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2005, Az. 3 Ss OWi 228/05; NZV 2006, 487; NZV 2007, 156; OLG Schleswig-Holstein, ZfS 2006348 – nur im Ergebnis, ohne auf die Rechtsfrage eingehend: OLG Brandenburg, DAR 2008, 218) (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.01.2009 – 2 Ss OWi 352/08 -; in: NZV 2009, 350).

– Vor einer Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG gebietet es die Aufklärungs- bzw. Fürsorgepflicht, dass der Richter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort eine Entschuldigungsnachricht des Betroffenen vorliegt. Die Aufklärungspflicht gebietet es dagegen nicht, (auch) bei der allgemeinen gerichtlichen Eingangsstelle nachzuforschen, ob dort eine entsprechende Nachricht des Betroffenen eingegangen ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.01.2009 – 2 Ss OWi 1613/08 -; in: NZV 2009, 355).

– 1. Art. 2I 1 GG in Verbindung mit dem Rechtstaatsprinzip gewährleistet dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren ebenso wie dem Beschuldigten im Strafverfahren das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, welches das Recht auf Durchführung des Verfahrens in angemessener Zeit einschließt. Bei Vorliegen eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens sind die Gerichte zu sorgfältiger Prüfung verpflichtet, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) ordnungswidrigkeitenrechtlich vorgehen kann. Regelmäßig sind deshalb Art und Umfang der Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich festzustellen und das Ausmaß der Berücksichtigung näher zu bestimmen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss v. 2.7.2003 – 2 BvR 273/03, BeckRS 2003, 24461, und OLG Düsseldorf, NZV 2008, 534). 2. Eie rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kann auch auf den Bestand, die Dauer oder die konkrete Ausgestaltung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots Auswirkungen haben. Allerdings wird allein in einer von der Justiz zu verantwortenden Verfahrensverzögerung von sieben Monaten Ohne das Hinzutreten sonstiger den Betroffenen mit der Dauer des Verfahrens besonders belastender Umstände regelmäßig noch kein zur Abkürzung oder zum Wegfall eines verwirkten Fahrverbots, zur Ermäßigung des festgesetzten Bußgelds oder zu einer Einstellung des Verfahrens zwingender Konventionsverstoß i. S. von Art. 6 I 1 EMRK zu erblicken sein. 3. Die Notwendigkeit einer etwaigen Kompensation auf Rechtsfolgenebene wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen ist von den Gerichten selbstständig festzustellen und auszusprechen. Eine entsprechende Heranziehung der auf den Wegfall des Sanktionszweck abhebenden Rechtsprechung zur Frage des Absehens vom Fahrverbot in Folge Zeitablaufs scheidet auch in zeitlicher Hinsicht aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 4.12.2008 – 3 Ss OWi 1386/08 -; in: NJW 2009, 2468).

– Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für sogenannte standardisierte Messverfahren erfordern eine standardmäßige Verwendung nicht nur im Rahmen des eigentlichen Messvorgangs, sondern auch bei den vorausgehenden Gerätetests. Kommt es zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung des Herstellers, liegt kein standardisiertes Messverfahren mehr vor (OLG Celle, Beschluss vom 26.06.2009 – 311 SsBs 58/09 -; in: NZV aktuell 8/2009, VIII).

– Wird die Briefsendung, mit der das Rechtmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt werden soll, am Werktag vor Ablauf der einwöchigen Einlegungsfrist gem. § 311 II stopp im Inland bei der Post eingeliefert, so darf der Beschwerdeführer, wenn keine Besonderheiten vorliegen, auf der Grundlage von § 2 Nr. 3 S. 1 der Post-Universaldienstleistungsverordnung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Briefsendung am folgenden Werktag und damit noch rechtzeitig bei Gericht eingehen wird. Dies gilt auch für ein Einwurf-Einschreiben, da mit dieser Beförderungsart eine längere Postlaufzeit nicht zwangsläufig verbunden ist, und die Post-Universaldienstleistungsverordnung in Bezug auf die einzuhaltenden Postlaufzeiten nicht zwischen gewöhnlichen Briefsendungen und er Briefbeförderung durch Einschreibesendung unterscheidet (OLG Hamm, Beschluss vom 17.02.2009 – 3 Ws 37, 38/09 -; in: NJW 2009, 2230).

– 1. Unterliegt eine Straftat einer Tilgungsfrist von zehn Jahren, wäre nach § 29 VI 1 StVG nicht nur die Straftat, sondern auch die während der Tilgungsfrist begangenen Ordnungswidrigkeiten verwertbar. 2. Nach § 29 VIII 2 StVG dürfen solche Eintragungen nach Ablauf einer fünfjährigen Tilgungsfrist nur noch für ein Verfahren übermittelt und verwertet werden, welches die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Dies gilt sowohl für die Verwertbarkeit der Straftat wie zwischenzeitlich eingetragene Ordnungswidrigkeiten (OLG Celle, Beschluss vom 05.08.2009 – 322 SsBs 137/09 -; in: NZV 2009, VI).

– 1. Obwohl in § 11 II OWiG eine dem § 17 2 StGB entsprechende Milderungsmöglichkeit nicht normiert ist, muss auch bei der Bußgeldbemessung eine Milderung erwogen werden. 2. Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gemäß § 17 III 2 OWiG ist die Feststellung, er habe ein geregeltes Einkommen, nichtssagend; sie trifft auch auf einen Empfänger von „Hartz IV“ zu (OLG Koblenz, Beschluss vom 26.02.2009 – 1 SsBs 5/09 -; in: NZV aktuell 9/2009, VI und NZV 2009, 573).

– 1. Im Rahmen eines zur Anwendung gekommenen standardisierten Messungsverfahrens (hier: Brückenabstandsmessung VAMA) hat der Tatrichter im Hinblick auf die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rechtsbeschwerdegericht das zur Anwendung gebrachte Messverfahren zu benennen und – hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit – grundsätzlich den berücksichtigten Toleranzwert sowie die auf diese Weise ermittelte Geschwindigkeit und – soweit ein Abstandsverstoß gegeben ist – den zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehaltenen Abstand in den Urteilsgründen mitzuteilen. 2. Im Übrigen bedarf es einer weiteren Erörterung zur Zuverlässigkeit der Messmethode nur bei konkreten Anhaltspunkten (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.07.2009 – 3 Ss OWi 670/09 -; in: NZV aktuell 9/2009, VI).

– Erhebt der Betroffene substanziierte Einwendungen gegen das standardisierte Messergebnis, so existieren unter Umständen in diesem Bereich Fehlerquellen; diese Umstände hat der Tatrichter auf entsprechenden Beweisantrag des Betroffenen nachzuprüfen, wobei er sich – mangels eigener Sachkunde – der Hilfe eines technischen Sachverständigen bedienen muss (OLG Celle, Beschluss vom 16.07.2009 – 311 SsBs 67/09 -; in: NZV aktuell 9/2009, VI und NZV 2009, 575).

-1. Ein Betroffener kann sich gem. § 137 I 1 StPO i.V.m. § 46 I OWiG in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes durch einen Verteidiger bedienen. Das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung durch einen Rechtsanwalt einerseits und das Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens andererseits sind gegeneinander abzuwägen, wobei dem Verteidigerinteresse im Zweifel Vorrang gebührt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Verteidiger wie im vorliegenden Fall wegen einer plötzlichen Erkrankung die im Übrigen über die anwaltliche Versicherung hinaus nicht weiter glaubhaft zu machen ist, an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen kann. 2. Dadurch ist das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung beschnitten worden (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2009 – 2 Ss Rs 54/09 -; in: NZV-aktuell 10/2009, IV und NZV 2009, 569).

– 1. Sind überraschend weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum Termin erschienen, muss sich der Tatrichter aufgrund seiner Fürsorge- und Aufklärungspflicht vor Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 II OWiG bei der Geschäftsstelle vergewissern, ob eine Mitteilung über die Verhinderung des Betroffenen vorliegt. 2. Sofern eine Entschuldigung der Verhinderung des Betroffenen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs bei Gericht bereits eingegangen war, ist die fehlende Kenntnis des Richters belanglos; das Verwerfungsurteil unterliegt in diesem Fall (bei Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde und auf entsprechende Verfahrensrüge hin) im Rechtsbeschwerdeverfahren der Aufhebung (KG, Beschluss vom 05.06.2009 – 2 Ss 125/09 – 3 Ws (B) 245/09 -; in: NZV 2009, 518).

– Zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Schritten zur Ermittlung des Täters einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften muss die Bußgeldbehörde den Halter eines Kraftfahrzeugs im Ordnungswidrigkeitenverfahren als Zeugen und nicht als Betroffenen anhören, wenn feststeht (z.B. auf Grund des Geschwindigkeitsmessfotos), dass der Kraftfahrzeughalter keinesfalls der verantwortliche Fahrzeugführer sein kann. Denn im Gegensatz zur Anhörung als Betroffener wegen des dann bestehenden Aussageverweigerungsrechts ist der Halter bei der Anhörung als Zeuge grundsätzlich zur Aussage und damit zur Mitwirkung an der Aufklärung der Täterschaft verpflichtet (VGH Mannheim, Beschluss vom 04.08.2009 – 10 S 1499/09 -; in: NJW-aktuell 44/2009, X).

– 1. Bei der Anordnung von Blutentnehmen müssen Ermittlungspersonen vor Inanspruchnahme ihrer Eilkompetenz regelmäßig versuchen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen; im Falle des Misslingens müssen sie ihre selbstständige Anordnung mit Tatsachen begründen und dies zeitnah in den Akten dokumentieren, wenn die Dringlichkeit der angeordneten Maßnahme nicht evident ist. 2. Nicht jeder Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot führt zwangsläufig auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn einzelne Rechtsgüter durch objektiv willkürliche Eingriffe so schwerwiegend beeinträchtigt werden, dass dadurch das Verfahren nicht mehr als nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnet erscheint oder der Beweiserhebung schwerwiegende Rechtsverletzungen zugrunde liegen, die auch durch grobe Verkennung der Rechtslage geprägt sind. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn Gefahr im Verzug willkürlich angenommen und der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert wird (hier verneint) (OLG Celle, Beschluss vom 15.09.2009 – 322 SsBs 197/09 -; in: NZV-aktuell 11/2009, VI).

– Es führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn Polizeibeamten die generelle Befugnis erteilt worden ist, bei der Entnahme von Blutproben gem. § 81 a stopp auf die Einschaltung eines Richters zu verzichten (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.10.2009 – 2 SsBs 149/09 -; in: NZV-aktuell 11/2009, VI).

– 1. Die Anordnung der Blutprobeentnahme durch die ermittelnden Polizeibeamten unter Verletzung der des Richtervorbehalts des § 81 a II StPO führt lediglich zu einem Beweiserhebungs-, nicht aber generell auch zu einem Beweisverwertungsverbot. 2. Die Annahme eines Verwertungsverbotes hängt davon ab, ob die anordnenden Polizeibeamten willkürlich das Vorliegen von Gefahr im Verzug angenommen und bewusst die Verwirklichung des Richtervorbehalts vereitelt haben (BVerfG, NZV 2008, 636). Haben sich die Beamten lediglich keine Gedanken über die Anordnungskompetenz gemacht, weil sich der Betroffene nicht gegen die Anordnung gewehrt hat, stellt dies keine bewusste und willkürliche Verletzung des Gesetzes dar, zumal die Anordnung einer Blutentnahme durch die Polizei in Eilfällen gestattet ist. 3. Angesichts der sich häufenden Anzahl von veröffentlichen Entscheidungen zu den möglichen Konsequenzen der Missachtung der Kompetenzvorschrift des § 81 a II StPO ist davon auszugehen, dass die Brisanz der Verletzung des Richtervorbehalts inzwischen auch bei Staatsanwaltschaften und Hilfspersonen hinreichend bekannt ist. Die Annahme, der anordnende Polizeibeamte hätte in schlichter Unkenntnis (und daher nicht willkürlich) gehandelt, ist von daher nicht mehr ohne Weiteres aufrecht zu erhalten (KG, Beschluss vom 1.7.2009 – (3) 1 Sa 204/09 (71/09) -; in: NZV 2009, 571)

– 1. Der Tatbestand des § 24a II StVG wird dann fahrlässig verwirklicht, wenn der Fahrer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelstoff noch nicht vollständig unter den Grenzwert abgebaut ist. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Betroffene einen spürbaren oder messbaren Wirkstoffeffekt vorstellt. Andererseits kann es an der Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels fehlen, wenn zwischen Drogenkonsum und Fahrtantritt längere Zeit vergeht. 2. Die im Rahmen einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle nach § 36 V 1 StVO durchgeführte informatorische Befragung des Betroffenen (hier: allgemeine Frage nach Alkohol- und/oder Drogenkonsum) zwingt noch nicht zu einer Belehrung (KG, Beschluss vom 05.06.2009 – 2 Ss 131/09 – 3 Ws (B) 323/09 -; in: NZV aktuell 9/2009, VI und NZV 2009, 572).

– 1. Rechtskräftige Beschlüsse, die eine Sachentscheidung enthalten, können grundsätzlich weder aufgehoben noch geändert werden, selbst wenn sie auf einem entscheidungserheblichen Tatsachenirrtum beruhen. 2. Beruht eine Entscheidung, die das Rechtsmittel (hier: Rechtsbeschwerde) als unzulässig verwirft, auf unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen, kommt eine nachträgliche Aufhebung bzw. Änderung jedoch in Betracht (KG, Beschluss v. 15.6.2009 – 2 Ss 132/09 – 3 Ws (B) 277/09 -; in: NZV 2009, 575).

– 1. Die Strafverfolgungsbehörden müssen zur Tagzeit grundsätzlich versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolgs gem. § 81 a II StPO ist mit Tatsachen zu begründen, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind. Bei hohen Atemalkoholwerten (hier: 3,08 g‰) ist in der Regel hinreichend zeit zur Einholung einer zumindest fernmündlichen richterlichen Anordnung. 2. Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Eilanordnungskompetenz des § 81a II StPO kann im Einzelfall zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Dies ist insbesondere bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder dem Vorliegen eines besonders schweren Fehlers zu bejahen (OLG Celle, Beschluss vom 06.08.2009 – 32 Ss 94/09 -; in: NJW 2009, 3524 und NZV 2009, 611).

– Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den veröffentlichten Entscheidungen des BVerfG und mehrerer Oberlandesgerichte zur Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81 a II StPO bei der Anordnung der Blutprobenentnahme durch ermittelnde Polizeibeamte dürfte die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne Weiteres aufrechtzuerhalten sein (KG, Beschluss vom 01.07.2009 – (3) 1 Ss 204/09 (71/09) -; in: NJW 2009, 3527).

– 1. Eine Atemalkoholmessung mittels Alkohol-Vortests Alco-Quant 6020 vermittelt keine tragfähigen Erkenntnisse über den Grand der Alkoholisierung; der Nachweis alkoholbedingter Fahrunsicherheit hierüber ist nicht möglich. 2. Eine Atemalkoholmessung mittels Draeger Evidential unterliegt einem Beweisverwertungsverbot, wenn sie ohne Belehrung über die Freiwilligkeit und Nichterzwingbarkeit der Teilnahme durchgeführt wurde (KG, Urteil vom 21.09.2009 – 9 Ss 550 Js 11 375/09 – AG 92/09 -; in: NZV-aktuell 11/2009, VIII und LG Freiburg, Urteil vom 21.09.2009 – 9 Ns 550 Js 11375/09 – AK 92/09 -; in: NZV 2009, 614).

– 1. Bei der gegebenen Begründung des Entbindungsantrages und der vorliegenden entsprechenden Vollmacht des Verteidigers hätte das Amtsgericht dem Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen stattgeben müssen. 2. Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nur verletzt, wenn nicht zweifelhaft ist, dass der Antrag unter Verstoß gegen das Willkürverbot aus offensichtlich unzutreffenden verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt worden ist (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 06.07.2009 – 2 Ss – Owi 329/09 -; in: NZV 2009, 615).

– Es führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn Polizeibeamten die generelle Befugnis erteilt worden ist, bei der Entnahme von Blutproben gem. § 81 a StPO auf die Einschaltung einer Richters zu verzichten (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.10.2009 – 2 SsBs 149/09 -; in: NJW 2009, 3591 und NZV 2010, 101).

– 1. Ob aus einem Beweiserhebungs- auch ein Beweisverwertungsverbot folgt, ist regelmäßig im Einzelfall zu entscheiden. Je gravierender die Rechtsverletzung bei der Beweisgewinnung ist, umso eher kommt ein Beweisverwertungsverbot in Betracht. 2. Die Abstandsüberwachung mittels Videokamera unterliegt einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. 3. Über den vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2009, 3293) entschiedenen Fall der Videoüberwachung hinaus gilt das Verwertungsverbot für jede Art von Verkehrsverstößen, bei welchen eine Identifizierung des Fahrers nur mittels des Tatbildes möglich ist, als auch für Geschwindigkeitsmessungen (stationär und mobil, außer Lasermessungen) und stationäre Rotlichtüberwachung (AG Grimma, Urteil vom 27.08.2009 – 3 OWi 154 Js 1964/09 -; in: NZV 2010, 100).

– Die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a I Nr. 2 BtMG) stehen im Verhältnis prozessualer Tatidentität i. S. d. § 264 I StPO, wenn zwischen beiden Taten ein innerer Beziehungszusammenhang etwa in der Weise besteht, dass die Fahrt dem Transport der Drogen diente, um sie an einen sicheren Ort zu bringen (BGH, Beschluss vom 05.03.2009 – 3 StR 566/08 -; in: NZV 2010, 39).

– Der rechtskräftige Einstellungsbeschluss nach § 47 II OWiG verbraucht die Strafklage. Diese Wirkung tritt dann nicht ein, wenn neue Tatsachen den Verdacht eines Verbrechens begründen (LG Heidelberg, Beschluss vom 12.05.2009 – 9 Ns 22 Js 2024/09 -; in: NZV 2010, 40).

– 1. Bei Verwendung eines stationären standardisierten Messverfahrens (hier: Traffipax Traffiphot III) zum Belegen eines innerörtlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes reicht es grundsätzlich aus, dass das Urteil – neben dem Hinweis auf das standardisierte Verfahren – die Nettorotlichtzeit mitteilt und Feststellungen zum Überfahren der Fluchtlinie der Kreuzung trifft. Zum Beleg dieser Feststellungen reicht in der Regel ein Hinweis auf in der Akte befindliche Lichtbilder aus. 2. Für die Bestimmung der Rotlichtzeit ist grundsätzlich das Überfahren der vor dem Lichtsignal befindlichen Haltelinie maßgebend; nur wenn eine solche fehlt, kommt es auf den Beginn des Einfahrens in den durch die Ampel geschützten Bereich an. 3. Die Verwirklichung eines Regelbeispiels der BKatV (hier: qualifizierter Rotlichtverstoß) indiziert das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers, so dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Wegen dieser (auch subjektiven) Indizfunktion ist das Vorliegen eines Ausnahmefalls nur dann zu prüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen oder der Betroffene dies einwendet (Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 19.10.2009 – 2 SsBs 38/09 -; in: NZV 2010, 42).

– Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht auf Grund einer Schätzung auf der Basis eines gedanklichen Zählens („einundzwanzig, zweiundzwanzig“) des im Rahmen einer gezielten Rotlichtüberwachung eingesetzten Polizeibeamten zur Überzeugung vom Vorliegen eines sog. qualifizierten Rotlichtverstoßes kommt (Abweichung von OLG Hamm, NZV 2001, 177) (OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009 – 3 Ss OWi 55/09 -; in: NZV 2010, 44).

– 1. Es erweist sich als rechtfehlerhaft, wenn der Tatrichter ein Regelfahrverbot trotz einer als wahr unterstellten Existenzgefährdung wegen drohender Kündigung alleine im Hinblick auf eine erhebliche Geschwindigkeitsübertretung „an der oberen Grenze der Fahrlässigkeit“ verhängt. 2. ein Absehen von einem Regelfahrverbot kommt nur bei einer massiven Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen, zu der in substantiierten Weise Tatsachen vorzutragen sind, in Betracht, wozu der Tatrichter im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidung die Gefährdung des Arbeitsplatzes bzw. der wirtschaftlichen Existenzgrundlage des betroffenen positiv festzustellen und die seiner Einschätzung zu Grunde liegenden Tatsachen in den Urteilsgründen eingehend darzulegen hat. 3. Stellt der Tatrichter die tatsächliche Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes durch Kündigung als unverhältnismäßige Härte fest, ist dem Betroffenen das Risiko, die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung einer Klärung durch die Arbeitsgericht zuzuführen, grundsätzlich nicht zuzumuten. Nur bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigungsandrohung kann ein Härtefall außer Betracht bleiben (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.01.2009 – 2 Ss OWi 5/2009 -; in: NZV 2010, 46).

– Wird gegen den Verurteilten Anklage u. a. wegen des Verdachts der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr erhoben und wird – nach Aussetzung der Hauptverhandlung zwecks Einholung eines Sachverständigengutachtens zum behaupteten Nachtrunk – später eine BAK von unter 1,1 Promille nicht für ausgeschlossen gehalten mit der Folge, dass eine Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) nicht in Betracht kommt, dann können dem Verurteilten die Kosten des Sachverständigengutachtens nicht auferlegt werden (LG Hildesheim, Beschluss vom 15.09.209 – 26 Qs 101/09 -; in: NZV 2010, 48).

– Der Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit nach § 72 I 2 OWiG muss durch das im Beschlussverfahren erkennende Gericht erfolgen; ein Hinweis durch ein zuvor mit dem Verfahren befasstes Gericht reicht nicht aus (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.12.2009 – IV-5 Ss-OWi 204/09 – (OWi) 123/09 IV -; in: NZV-aktuell 1/2010, VI).

– Wegen zwei in Tatmehrheit zueinander stehenden Ordnungswidrigkeiten kann in einem Urteil nur auf einheitliches Fahrverbot erkannt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2009 – 3 Ss OWi 451/09 -, in: NZV-aktuell 1/2010, VI).

– § 100 h I 1 Nr. 1 stopp i. V. mit § 46 I OWiG bildet für die von der Polizei in Bayern im Rahmen des so genannten Brückenabstandsmessverfahrens (VAMA) durchgeführten anlassbezogenen Videoaufzeichnungen zur Identifizierung Betroffener eine hinreichende gesetzliche Rechtsgrundlage für damit verbundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (OLG Bamberg, , Beschluss vom 16.11.2009 – 2 Ss OWi 1215/09 -; in: NZV 2010, 98).

– In Verkehrsstrafverfahren ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht nur dann geboten, wenn auf Grund der Alkoholisierung des Angeklagten Ermittlungen hinsichtlich der Schuldfähigkeit veranlasst sind, sondern insbesondere auch dann, wenn die Verwertbarkeit der Analyse einer entgegen § 81 a II StPO ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe im Streit steht (LG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2009 – 11 Qs 12/09 -; in: NZV 2010, 103).

– 1. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn die Verwerfung eines Einspruchs nach § 74 II OWiG auf einer rechtwidrigen Ablehnung des Entbindungsantrags des Betroffenen beruht. 2. Wird die Fahrereigenschaft durch den Betroffenen zugestanden und erklärt, er werde sich im Übrigen nicht weiter zur Sache äußern bei gleichzeitiger Angabe, die Verteidigung sei befugt, selbstständig zur Sache vorzutragen, ist der Betroffene auf seinen Antrag nach § 73 II OWiG von seiner Erscheinungspflicht in der Hauptverhandlung zu entbinden (OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2010 – (4) 6 SsOWi 958/09 (469), in: NZV 2010, 214).

– Es besteht kein Beweiserhebungsverbot bei Geschwindigkeitsmessungen durch Angestellte eines Landkreises (OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.03.2009 – 2 Ss Bs 42/09 -; in: NZV 2010, 163).

– Hat der Tatrichter den Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGHSt. 41, 376, 382 = NJW 1996, 1420 ff.: Senatsbeschluss 1 Ss 119/04 vom 2.6.2004) (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.10.2009 – 2 SsBs 100/09 -, in: NZV 2010, 212).

– 1. Die Feststellung und Überzeugung von der ordnungsgemäßen Eichung des Messgerätes ist bei einem standardisierten Messverfahren erforderlich (wie OLG Hamm, NZV 2002, 198). 2. Sol ein Eichschein in die Hauptverhandlung durch Verlesung eingeführt werden, ist erforderlich, dass der Nachweis hierüber durch das Sitzungsprotokoll geführt werden kann. Schweigt das Hauptverhandlungsprotokoll über die Verlesung, so gilt diese als nicht erfolgt (OLG Hamm, Beschluss vom 24.11.2009 – 3 Ss OWi 882/09 -; in: NZV 2010, 215).

– Die mit dem so genannten Vibram-Systems (Video-Brücken-Abstandsmessung) erhobnen Daten unterliegen einem Beweisverwertungsverbot (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.02.2010 – IV-3 RBs 8/10 -; in: NZV-aktuell 4/10, VI).

– Enthält der Bußgeldbescheid keine Angaben dazu, in welchen konkreten Konzentrationen berauschende Mittel im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden sind, liegt keine hinreichende Grundlage zur Klärung der Frage vor, ob überhaupt von einer beeinträchtigenden Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit des Betroffenen ausgegangen werden kann. Damit fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung mit der Folge, dass die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam ist (OLG Hamm, Beschluss vom 11.02.2010 – 2 Ss OWi 319/09 -; in: NZV 2010, 270).

– 1. Von der Regelfahrerlaubnisentziehung nach einer Trunkenheitsfahrt kann jedenfalls dann abgesehen werden, wenn seit der Tat und der Führerscheinsicherstellung 10 Monate vergangen sind und der Angeklagte in dieser Zeit durch intensive verkehrspsychologische Maßnahmen (hier: IVT-Hö) seine Fahreignung wiederhergestellt hat. 2. In einem solchen Fall ist jedoch ein „deklaratorisches“ Fahrverbot nach § 44 I 2 StGB festzusetzen (AG Lüdinghausen, Urteil vom 02.03.2010 – 9 Ds-82 Js 3375/09-111/09 -; in: NZV-aktuell, 4/2010, VI).

– 1. Zur Verwertbarkeit von Messdaten bei Einsatz von Lasergeräten. 2. Die mit dem System Riegl FG-21P ermittelten Daten unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2010 – IV-3 RBs 36/10 -; in: NZV 2010, 262).

– Eine Atemalkoholmessung mittels einem Atemalkoholmessgerät Draeger Evidential Typ MK III unterliegt einem Beweisverwertungsverbot, wenn sie ohne Belehrung über die Freiwilligkeit und Nichterzwingbarkeit der Teilnahme durchgeführt wurde (AG Frankfurt a. M., Urteil vom 18.01.2010 – 998 OWi 2022-955 Js-OWi 20697/09 -; in: NZV 2010, 266).

– 1. Ist im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot nach § 25 StVG nicht angeordnet worden, so darf das Gericht im Einspruchsverfahren nur dann auf diese Nebenfolge erkennen, wenn es in entsprechender Anwendung des § 265 II StPO den Betroffenen zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen hat. 2. Die Hinweispflicht soll den Betroffenen vor Überraschungen schützen, auf die er seine Verteidigung nicht hat einstellen können (OLG, Beschluss vom 26.02.2010 – 1 Ss 270/09 -; in: NZV-aktuell 5/2010, VI).

– 1. Die Anordnung einer Blutentnahme ist nach § 81 a I 2, II stopp Sache des Gerichts; nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung steht die Anordnung auch der Staatsanwaltschaft und den Polizeibeamten zu. 2. Aus dem Verstoß gegen den Richtervorbehalt folgt nicht generell ein Beweisverwertungsverbot, sondern nur in krassen Ausnahmefällen, beispielsweise bei einer bewussten oder systematischen Missachtung des Richtervorbehalts (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.01.2010 – III-1 RVs 1/10 -; in: NZV 2010, 306).

– 1. Eine Pflicht zur Sicherstellung jederzeitiger Erreichbarkeit eines Richters für die Anordnung von Blutprobenentnahmen, insbesondere auch während der Nachtzeit i. S. d. § 104 III stopp, ergibt sich grundsätzlich weder aus § 81 a II StPO noch aus dem Verfassungsrecht. 2. Die zur Nachtzeit durch einen Polizeibeamten getroffene Anordnung gem. § 81 a II stopp ist deshalb, wenn ein richterlicher Eildienst nicht eingereichtet war, rechtmäßig, so dass schon deshalb kein Beweisverwertungsverbot eingreift (LG Krefeld, Beschluss vom 10.09.2009 – 21 Qs- 16 Js 928/09 – 171/09 -; in: NZV 2010, 307).

– Erfolgt die Anordnung einer Blutprobenentnahme zu einer Zeit, in der ein richterlicher Eildienst erreichbar gewesen wäre, so führt der Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81 a II stopp jedenfalls in Fällen „objektiver Willkür“ auch zu einem Beweisverwertungsverbot (LG Krefeld, Beschluss vom 04.11.2009 – 21 Qs-12 Js 1482/08 – 224/09 -; in: NZV 2010, 307).

– 1. Zur Verwertbarkeit von Videoabstandsmessungen. 2. Die mit dem sog. Vibram-System (Video-Brücken-Abstandsmessung) erhobenen Daten unterliegen einem Beweisverwertungsverbot (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.02.2010 – IV-3 RBs 8/10 -; in: NZV 2010, 263).

– Mit § 100 h I 1 StPO, § 46 OWiG existiert eine hinreichende Rechtsgrundlage für die verdachtsabhängige fotografische Erfassung von Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen im Straßenverkehr (OLG Jena, Beschluss vom 6.1.2010 – 1 Ss 291/09 -; in: NZV 2010, 266).

– 1. Ein richterlicher Bereitschaftsdienst auch für die Nachtzeit ist jedenfalls dann einzurichten, wenn in den in Frage stehenden Zeiträumen dem Richtervorbehalt unterliegende Ermittlungsmaßnahmen nicht nur ausnahmsweise anfallen. 2. Die Nichtbeachtung des Richtervorbehalts wegen Nichteinrichtung eines richterlichen Eildienstes kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen, wenn dies auf einer groben Fehlbeurteilung oder nicht mehr vertretbaren Missachtung der Bedeutung des Richtervorbehalts beruht. 3. Für die Geltendmachung des Beweisverwertungsverbotes ist erforderlich, dass bis zu dem in § 257 stopp bestimmten Zeitpunkt in der ersten Tatsacheninstanz gegen die Verwertung der Blutentnahme und deren Auswertung Widerspruch erhoben wird. Es sprechen überwiegende Gründe dafür, dass ein Widerspruch nur im Ermittlungsverfahren nicht ausreicht (OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2009 – 3 Ss 497/09 -; in: NZV 2010, 308).

– Die polizeiliche Anordnung einer Blutentnahme wegen Gefahr im Verzug im Sinne des § 81 a II StPO ist im Bundesland Bayern in der Regel zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr möglich, da in Bayern ein richterlicher Bereitschaftsdienst auf Grund der Anordnung des Bayrischen Staatsministeriums der Justiz von 10.12.2007 lediglich zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr besteht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.12.2009 – 2 Ss OWi 1423/09 -; in: NZV 2010, 310).

– Bei Verwendung eines Geschwindigkeitsmeßgerätes PoliScan Speed der Firma Vitronic handelt es sich um ein amtlich anerkanntes, standardisiertes Messverfahren, so dass der konkrete Messvorgang einer sachverständigen Begutachtung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung unterzogen werden muss (KG, Beschluss vom 26.02.2010 – 2 Ws (B) 94/10 – 2 Ss 349/09 -; in: NZV 2010, 311).

– 1. Gesetzliche Grundlage für die verdachtsabhängige Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen in Bußgeldsachen ist § 100 h I 1 Nr. 1 StPO i. V. mit § 46 I OWiG. 2. Der Anfangsverdacht für die Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit kann auch dann vorliegen, wenn die Auslösung des Messfotos nicht für jedes betroffene Fahrzeug durch den Messbeamten gesondert veranlasst wird, sondern auf einer vorab erfolgten Programmierung des Geschwindigkeitsmessgeräts auf einen bestimmten Grenzwert beruht. 3. Die Herstellung von Messfotos zur Identitätsfeststellung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten verstößt grundsätzlich nicht gegen den Subsidiaritätsgrundsatz (§ 100 h I 1 a. E. StPO), weil die Geschwindigkeitsmessung und lichtbildgestützte Tatfeststellung im standardisierten Verfahren eine bewährte und besonders zuverlässige Möglichkeit zur Ermittlung der Identität der Tatverdächtigen bietet, die durch andere Maßnahmen nicht gleichermaßen gewährleistet und ersetzt werden kann (OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.02.2010 – 1 Ss (OWi) 23 Z/10 -; in: NZV 2010, 318).

– 1. Verdachtsabhängig veranlasste Bildaufzeichnungen (Video oder Foto) bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen haben ihre Ermächtigungsgrundlage in §§ 100h I StPO (Video), 163b I StPO (Foto) i. V. mit § 46 I OWiG. 2. Dies gilt auch bei automatisch veranlassten Bildaufzeichnungen (stationäre und mobile anlagen mit automatischem „Blitzer“, hier: „Traffipax Traffiphot S“) (AG Meißen, Urteil vom 14.10.2009 – 13 OWi 705 Js 30975/09 -; in: NZV 2010, 320).

– Kein Beweisverwertungsverbot für Lichtbilder einer automatisierten und verdachtsabhängigen Geschwindigkeitsmessanlage. 1. Im Fall verdachtsabhängiger Bild- bzw. Videoaufzeichnungen ist grundsätzlich von einer Verwertbarkeit der Lichtbilder bzw. Videoaufzeichnungen auszugehen. 2. Es ist unschädlich, dass die Bildaufzeichnung bei Überschreitung des Grenzwertes automatisch vorgenommen wird. Denn die Messung beruht auf der vorherigen Eingabe des Grenzwertes, was eine auf einem menschlichen Willensakt beruhende bedingte Verdachtsbejahung darstellt. Mit Überschreitung des Grenzwertes tritt die den Anfangsverdacht begründende Bedingung ein, ohne dass weitere Ermittlungsverhandlungen notwendig wären (AG Staufen, Beschluss vom 05.05.2010 – 311 Ss Rs 41/10 -; in: NZV-aktuell 6/2010, VI).

– Der Umstand, dass die die Blutentnahme bei Gefahr in Verzug anordnende Ermittlungsperson nicht zuvor versucht hat, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen, ist von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81 a II stopp und ein Verwertungsverbot zu begründen (OLG Celle, Beschluss vom 25.01.2010 – 322 SsBs 315/09 -; in: NZV 2010, 362).

– 1. Im Falle verdachtsabhängiger Bild- bzw. Videoaufzeichnungen ist grundsätzlich von einer Verwertbarkeit der Lichtbilder bzw. Videoaufzeichnungen auszugehen. 2. Es ist unschädlich, dass die Bildaufzeichnung bei Überschreitung des Grenzwertes automatisch vorgenommen wird. Denn die Messung beruht auf der vorherigen Eingabe der Grenzwertes, was eine auf einem menschlichen Willensakt beruhende bedingte Verdachtsbejahung darstellt. Mit Überschreitung des Grenzwertes tritt die den Anfangsverdacht begründende Bedingung ein, ohne dass weitere Ermittlungshandlungen notwendig wären (OLG Celle, Beschluss vom 05.05.2010 – 311 Ss Rs 41/10 -; in: NZV 2010, 363).

– Eine Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach Erhebung der öffentlichen Klage von dem nunmehr zuständigen Gericht als Antrag zu behandeln, im Sinne des Beschwerdevorbringens zu entscheiden. Erst die dann ergehende Entscheidung ist beschwerdefähig (LG Arnsberg, Beschluss vom 03.11.2009 – 2 Qs-150 Js 424/09-87/09 -; in: NZV 2010, 367).

– Das Videobrückenmesssystem VibrAM begegnet im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung keinen Bedenken, solange keine verdachtsunabhängige Speicherung von individuellen Merkmalen erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2010 – IV-4 RBs 143/09 -; in: NZV-aktuell 7/2010, VI).

– In welcher Weise Unterhaltspflichten zu berücksichtigen sind, ist zwar Sache des Tatrichters; die Urteilsgründe müssen aber eine Ermessensüberprüfung ermöglichen. Sie müssen nicht nur die Berufstätigkeit und das Einkommen des Angeklagten mitteilen, sowie, dass mit diesem Einkommen der Lebensunterhalt des Angeklagten selbst, seiner Ehefrau und seines Kindes bestritten werden muss, sondern auch, in welcher Weise die Unterhaltsverpflichtung des Angeklagten gegenüber seiner Frau und seinem Kind bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe Berücksichtigung gefunden hat. Zur Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Ehefrau kommt ein pauschaler prozentualer Abzug vom Einkommen des Angeklagten in Höhe von 25 % und bzgl. des Kindes in Höhe von 15 % in Betracht (KG, Beschluss vom 08.12.2009 – (3) 1 Ss 467/09 (174/09) -; in: NZV-aktuell 8/2010, VIII).

– Die von der obergerichtlichen Rechtssprechung aufgestellten Grundsätze für sogenannte standardisierte Messverfahren erfordern eine standardmäßige Verwendung nicht nur im Rahmen des eigentlichen Messvorgangs, sondern auch bei den vorausgehenden Gerätetests. Kommt es zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung des Herstellers liegt kein standardisiertes Messverfahren mehr vor (OLG Celle, Beschluss vom 26.06.2009 – 311 SsBs 58/09 -; in: NZV 2010, 414).

– 1. Bei der Anordnung von Blutentnahmen müssen Ermittlungspersonen vor Inanspruchnahme ihrer Eilkompetenz regelmäßig versuchen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen; im Falle des Misslingens müssen sie ihre selbstständige Anordnung mit Tatsachen begründen und dies zeitnah in den Katen dokumentieren, wenn die Dringlichkeit der angeordneten Maßnahme nicht evident ist. 2. Nicht jeder Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot führt zwangsläufig auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn einzelne Rechtgüter durch objektiv willkürliche Eingriffe so schwerwiegend beeinträchtigt werden, dass dadurch das Verfahren nicht mehr als nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnet erscheint oder der Beweiserhebung schwerwiegende Rechtsverletzungen zu Grunde liegen, die auch durch grobe Verkennung der Rechtslage geprägt sind. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn Gefahr im Verzug willkürlich angenommen und der Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert wird (hier verneint) (OLG Celle, Beschluss vom 15.09.2009 – 322 SsBs 197/09 -; in: NZV 2010, 417).

– Die Rücknahme eine Einspruchs gegen eine Bußgeldbescheid wird grundsätzlich erst dann wirksam, wenn die Erklärung bei der zuständigen Stelle eingegangen ist. Rücknahmeerklärungen, die an die falsche Stelle geraten (im konkreten Fall an die Verwaltungsbehörde, obwohl sich die Akten bereits bei dem Amtsgericht befanden), sind unverzüglich weiterzuleiten. 2. Ist aber weder eine (unverzügliche) Weiterleitung der Rücknahmeerklärung an das Amtsgericht Tiergarten noch eine entsprechende Benachrichtigung erfolgt, ist der Betroffene dennoch so zu stellen wie er stünde, hätte die Rücknahmeerklärung dem Amtsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (hier der Verwerfung des Einspruchs durch Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG) vorgelegen. Weil der Einspruch dann infolge der Rücknahme vernichtet wäre ist das Verwerfungsurteil gegenstandslos (LG Berlin, Beschluss vom 12.03.2009 – 528 Qs 29/09 -; in: NZV 2010, 421).

– Das Ergebnis einer Blutprobenentnahme darf dann nicht verwertet werden, wenn diese von den Strafverfolgungsbehörden angeordnet wurde, ohne vorher versucht zu haben, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutprobenentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sein müssen. Wenn vor diesem Hintergrund eine Dienstanweisung ergeht, nach der die Ermittlungsbehörden bei der Anordnung einer Blutprobe zur Feststellung der Alkoholkonzentration wegen der Geschwindigkeit des Alkoholabbaus im Blut regelmäßig von Gefahr in Verzug auszugehen, erweist sich dies als bewusste Umgehung des Richtervorbehaltes des § 81a StPO Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13.07.2010 – (2) 53 Ss 40/10 (21/10) -).

Für die Nachtzeit im Sinne von § 104 III StPO ist die Einrichtung einer richterlichen Erreichbarkeit zur Anordnung einer Blutentnahme gem. § 81a StPO nicht erforderlich (OLG Celle, Beschluss vom 15.07.2010 – 322 Ss Bs 159/10 -; in: NZV-aktuell 9/2010).

– 1. Hat der Betroffene seine Fahrereigenschaft zugestanden und erklärt, er werde in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen, ist seine persönliche Anwesenheit in der Hauptverhandlung im Sinne von § 73 OWiG im Regelfall entbehrlich. 2. Seine Anwesenheit kann nach § 73 OWiG dann noch zur weiteren Sachaufklärung dienen, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des – berechtigterweise – schweigenden Betroffenen genügt. 3. Jedenfalls muss sich das Amtsgericht in diesem Fall in seinem Urteil mit der Frage befassen, inwieweit tatsächlich von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung eine weitere Sachaufklärung zu erwarten gewesen wäre. Hat sich das Amtsgericht jedoch mit diesen Punkten nicht befasst, so würde das Urteil im Zulassungsverfahren der Aufhebung und Zurückweisung unterliegen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.08. 2010 – 1 (8) SsRs 366/09 AK 92/09 -; in: NZV 2011, 95).

– Die fehlende Erreichbarkeit eines Richters für die Anordnung der Blutentnahme auch am Wochenende stellt einen justiziellen Organisationsmangel dar, der zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte (OLG Celle, Beschluss vom 11.08.2010 – 32 Ss 10/10 -; in: NZV-aktuell 9/2010, VI).

– Das Videobrückenmesssystem VibrAM begegnet im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung keine Bedenken, solange keine verdachtsunabhängige Speicherung von individuellen Merkmalen erfolgt (OLD Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2010 – IV-4 RBs 143/09 -; in: NZV 2010, 474).

– 1. Ein Beweisbild einer Messung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät ES 3.0 mit der Softwareversion 1.001 muss so ausgestattet sein, dass alle fahrbaren Teile im Beweisbild abgebildet sein müssen, auf denen sich den Messwert beeinflussende Fahrabläufe ereignen können. 2. Sofern ein Teil der rechten Fahrspur (Lastspur) und die gesamte Standspur von der Fotoeinrichtung nicht erfasst werden, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich auf dem nicht erfassten Bereich ein Fahrzeug befunden hat, welches den Messwert beeinflusst haben könnte. Die vorgenommene Spurselektion ändert daran nichts, sofern die Seitenabstandsmessung nicht zuverlässig funktioniert (AG Zerbst, Beschluss vom 17.05.2010 – 8 OWi 467/10 -; in: NZV 2010, 475).

– Die vom Ermittlungsbeamten wegen sonst drohender Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung nach § 81 a II StPO getroffene Anordnung ist endgültig und deckt alle zur Durchführung der angeordneten Maßnahme erforderlichen Handlungen. Der Ermittlungsbeamte ist nicht verpflichtet, die seiner Entscheidung zugrunde liegende Einschätzung der Gefahrenlage einer fortwährenden Prüfung zu unterziehen, und muss sich bei unvorhergesehenen Verzögerungen der von ihm angeordneten Untersuchung auch nicht erneut um eine richterliche Entscheidung bemühen (KG, Beschluss vom 30.12.2009 – 3 Ws (B) 543/09 -; in: NZV 2010, 480).

– Ein Bußgeldbescheid, in dem ein Fahrverbot ohne Angabe der Dauer des Fahrverbots angeordnet wurde, ist weder unwirksam noch nichtig. Die Anordnung eines Fahrverbots ohne zeitliche Begrenzung kann als eine solche mit der gesetzlichen Mindestfrist gedeutet werden (AG Gelnhausen, Urteil vom 18.06.2010 – 44 OWi 2945 Js6566/10 -).

– Handelt es sich bei einem Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt, so darf im Hinblick auf dessen Stellung als Organ der Rechtspflege nach § 1 BRAO der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nur ausnahmsweise aus besonderem Anlass gefordert werden (KG, Beschluss vom 23.02.2010 – 3 Ws (B) 84/10 – 2 Ss 46/10 -; in: NZV 2010, 528).

– 1. In welcher Weise Unterhaltspflichten zu berücksichtigen sind, ist zwar Sache des Tatrichters; die Urteilsgründe müssen aber eine Ermessensüberprüfung ermöglichen. Sie müssen nicht nur die Berufstätigkeit und das Einkommen des Angeklagten mitteilen sowie, dass mit diesem Einkommen der Lebensunterhalt des Angeklagten selbst, seiner Ehefrau und seines Kindes bestritten werden muss, sondern auch, in welcher Weise die Unterhaltsverpflichtung des Angeklagten gegenüber seiner Frau und seinem Kind bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe Berücksichtigung gefunden hat. 2. Zur Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Ehefrau kommt ein pauschaler prozentualer Abzug vom Einkommen des Angeklagten in Höhe von 25 % und bzgl. des Kindes in Höhe von 15 % in Betracht (KG, Beschluss vom 08.12.2009 – (3) 1 Ss 467/09 (174/09) -; in: NZV 2010, 530).

– Der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO unter der Bedingung, dass Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird, ist unzulässig (AG Montabaur, Beschluss vom 01.09.2010 – 1040 Js 30257/10 42 Cs -; in: NZV-aktuell 11/2010, IV).

– Eine willkürliche Missachtung der richterlichen Anordnungsbefugnis durch den Polizeibeamten ist nicht anzunehmen, da auf Grund des festgestellten Alkoholgeruchs sowie des zunächst durchgeführten Alkoholtests mit dem nicht gerichtsverwertbaren Handgerät der vermutete Alkoholisierungsgrad des Betroffenen mit 0,8 Promille in einem Bereich lag, in dem es auf die genaue und zeitnahe Ermittlung des BAK-Wertes besonders ankam, zumal alkoholbedingte Ausfallerscheinungen fehlten (OLG Bamberg, Beschluss vom 16.07.2009 – 2 Ss OWi 755/2009 (rk.) -; in: NZV 2010, 583).

– 1. Die Anforderungen an die Vorkehrungen gegen eine Fristversäumung dürfen besonders dann nicht zu hoch angesetzt werden, wenn es um den ersten Zugang zu Gericht und damit um die Möglichkeit eines erstmaligen rechtlichen Gehörs geht. 2. Das Ausbleiben eines zur Hauptverhandlung geladenen ist dann genügend entschuldigt, wenn er bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge mit seinem rechtzeitigen Eintreffen rechnen konnte (hier: Bejaht bei unvorhersehbarer Verzögerung von Reifenwechsel) (LG Berlin, Beschluss vom 09.09.2010 – 515 Qs 114/10 -; in: NZV 2010, 585).

– Ist gegen eine Angeklagten in erster Instanz lediglich eine isolierte Sperre verhängt worden und legt nur er gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel ein, steht der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 I 1 StGB) in der Berufungsinstanz das Verschlechterungsverbot des § 331 I StPO entgegen (OLG Köln, Beschluss vom 09.06.2010 – 2 Ws 361/10 -; in: NZV 2010, 633).

– Die Ablehnung eines Beweisantrags des Betroffenen auf Vernehmung seines Bruders, der nach dem Vortag des Betroffenen Fahrer zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen sei und der dem Betroffenen „wie ein Ei dem anderen“ ähnele, mit der Begründung, der Betroffene sei aufgrund des bei der Messung gefertigten Lichtbildes identifiziert und die Beweiserhebung damit zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, verletzt den Betroffenen in seinem Beweisantragsrecht (OLG Celle, Beschluss vom 31.08.2010 – 311 SsRs 54/10 -; in: NZV 2010, 634).

– Ein in Abwesenheit ergehendes Urteil darf nur auf dem Betroffenen bekannte Beweismittel gestützt werden (OLG Jena, Beschluss vom 08.01.2010 – 1 Ss 349/09 -; in: NZV 2010, 636).

– Sind die Verfahren gegen eine betroffene juristische Person und deren Geschäftsführer verbunden, kann eine Geldbuße gegen den Geschäftsführer der Betroffenen als vertretungsberechtigtes Organ gem. § 30 I OWiG verhängt werden. Mit der Verbindung der Verfahren bricht das Verfahren gegen die juristische Person oder die Personenvereinigung in sich zusammen und ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (OLG Koblenz, Beschluss vom 25.06.2009 – 1 Ss Bs 31/09 -; in: NZV 2010, 636).

– Die fehlende Erreichbarkeit eines Richters für die Anordnung der Blutentnahme auch am Wochenende stellt einen justiziellen Organisationsmangel dar, der zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte (OLG Celle, Beschluss vom 11.08.2010 – 32 Ss 101/10 -; in: NZV 2011, 48).

– 1. Voreintragungen im Verkehrszentralregister unterliegen einem Verwertungsverbot, wenn zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils Tilgungsreife eingetreten ist. 2. Die Tilgungsfristen – insbesondere die absolute Frist des § 29 VI 4 StVG von 5 Jahren – sind von Amts wegen zu beachten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.11.2010 – IV-4 RBs 180/10 -; in: NZV aktuell 1/2011, IV).

– 1. Sofern ein Betr. rügt, dass der Verhandlungstermin trotz entsprechenden Antrags nicht verlegt worden sei, hat das Gericht die Umstände, die nach Auffassung des Betr. sein Fernbleiben entschuldigen sollen, ebenso ausführlich und vollständig darzulegen wie seine eigenen, in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen. 2. Fehlen derartige Ausführungen, so beruht das Urteil darauf nur dann nicht, wenn die vom Betr. vorgebrachten Entschuldigungsgründe von vornherein offensichtlich ungeeignet wären, sein Fernbleiben zu entschuldigen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.08.2010 – 2 SsRs 170/10 -; in: NZV 2011, 96).

– Ist auf Grund besonderer Umstände (hier: eindeutige Messwertzuordnung infolge Überholens eines zweiten Motorrads mit sehr geringem Seitenabstand zum Motorrad des Betroffenen im Messbereich) nicht von einem standardisierten Messverfahren auszugehen, so hat das Urteil neben dem vorgenommenen Toleranzabzug auch die Bekundungen der Messbeamten zu den Einzelheiten der Messung darzulegen. Mitzuteilen sind z. B. der Messwinkel, der am Messobjekt anvisierte Punkt, der Schulungsstand der Beamten sowie die gerätebezogene Justierungspraxis (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2010 – IV RBs 149/09 -; in: NZV 2011, 99).

– Für eine bezifferte Schmerzensgeldklage ist Prozesskostenhilfe schon dann in voller Höhe zu bewilligen, wenn sich der geltend gemachte Betrag des Schmerzensgeldes innerhalb eines gedachten Rahmens (noch) in einer vertretbaren Größenordnung bewegt. Die endgültige Festlegung des als angemessen erachteten Schmerzensgeldes durch das Gericht kann in der Regel erst im Hauptverfahren erfolgen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2011 – 4 W 108/10 -; in: NZV-aktuell 4/2011, VI).

– 1. Für den Fall, dass die Verhandlung in einem anderen als dem ursprünglichen Sitzungssaal stattfindet, ist nicht nur an dem neuen Saal ein Aushang anzubringen, sondern darüber hinaus auch an dem ursprünglich vorgesehenen Raum. 2. Allerdings reicht es zur Wahrung der Öffentlichkeit aus, dass sich die möglichen Interessenten ohne besondere Schwierigkeiten von dem Ort Kenntnis verschaffen können. Dies ist insbesondere anzunehmen bei relativ kleinen und überschaubaren Gerichtsgebäuden (Beschluss vom 07.02.2011 – 2 SsBs 144/10 -; in: NZV-aktuell 4/2011, VI).

– Versicht ein Tatrichter ein Beweismittel (hier DVD vom Tathergang) auszuschöpfen, auf dessen Beschaffung er zudem ursprünglich drängte, gibt er damit zu erkennen, dass er eine weitere Sachaufklärung durch Verwertung eben dieses Beweismittels für geboten erachtet. Ohne Änderung des diese Einschätzung tragenden Beweisergebnisses kann er daher einen auf die Erhebung dieses Beweises gerichteten Beweisantrag nicht nach § 77 Nr. 1 OWiG ablehnen (KG, Beschluss vom 25.11.2010 – 3 Ws (B) 582/10 -; in: NZV-aktuell 4/2011, VI).

– 1. Wird ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nach dem Beginn einer zuvor unterbrochenen Hauptverhandlung durch Telefax vor Aufruf der Sache in einem Fortsetzungstermin zurückgenommen, ist die Rücknahme nicht bereits mit Eingang bei Gericht wirksam, sondern bedarf nach §§ 71 I OWiG, 411 III 2, 303 S. 1 StPO zu ihrer Wirksamkeit der (im konkreten Fall fehlenden) Zustimmung der Amtsanwaltschaft. Deren Zustimmung kann zwar ausnahmsweise nach § 75 II OWiG entbehrlich sein, jedoch nicht dann, wen die Rücknahme außerhalb der Hauptverhandlung erklärt wurde. 2. Weil die Möglichkeit einer Rechtsmittelrücknahme nach §3 71 I OWiG, 411 III 1 StPO grundsätzlich mit Beginn der Urteilsverkündung endet, ist auch eine nachträgliche Zustimmung ausgeschlossen (KG, Beschluss vom 27.07.2010 – 3 Ws (B) 306/10 – 2 Ss 118/10 -; in: NZV-aktuell 4/2011, VI).

– 1. Der Widerspruch gegen die Verwertung einer unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a II StPO gewonnenen Blutprobe muss durch den verteidigten Angeklagten bereits in der ersten Tatsacheninstanz erhoben werden. Der entsprechende Vortrag ist gleichzeitig notwendiger Inhalt der Verfahrensrüge der Verletzung des § 81a II StPO. 2. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 81a II StPO verlangt die Darlegung der von der Polizei zur Begründung von Gefahr im Verzug herangezogenen Umstände. 3. Fehlt es an der gebotenen Dokumentation dieser Umstände durch die Polizei, verkürzt sich die Darlegungslast der Revision entsprechend. 4. Die grundsätzliche und ausnahmslose Weigerung des Ermittlungsrichters, ohne einen schriftlichen Vorgang fernmündlich eine Anordnung nach § 81a II StPO zu treffen (oder abzulehnen), verletzt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 GG (OLG Hamm, Beschluss vom 25.10.2010 – 3 RVs 85/10 -; in. NZV 2011, 210).

– Auch im gerichtlichen Ordnungswidrigkeitsverfahren gilt, dass die Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung des § 81a II StPO die genaue Angriffsrichtung des Widerspruchs erkennen lassen muss, der gegen die Verwertung der auf Grund der Blutentnahme gewonnenen Beweismittel erhoben worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2010 – 3 RBs 223/10 -; in: NZV 2011, 212).

– 1. Bei der Abstandsmessungen mit dem Video-Brücken-Abstandsmessverfahren Vibram-Bamas besteht kein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. 2. Trotz entgegenstehender Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (NJW 2010, 1216) besteht keine Pflicht zur Divergenzvorlage (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2010 – 2 (6) SsBs 404/10 -; in: NZV 2011, 213).

– 1. In durchschnittlichen Fällen, in denen die Geschwindigkeitsmessung konkret nicht angezweifelt wird, reich es zur Akteneinsicht aus, wenn der Akte das Messprotokoll, der Eichschein und der Schulungsnachweis beigefügt sind. 2. Sofern der Verteidiger aber konkret die Vorlage bestimmter Beweismittel beantragt, u. a. Lebensakte des Geräts, Schulungsnachweis des Messbeamten, Bedienungsanleitung des Messgeräts, sind auch diese Unterlagen dem Verteidiger zugänglich zu machen, weil ansonsten das Recht auf rechtliches Gehör verletzt wäre. 3. Dies gilt auch, wenn diese Gegenstände noch nicht Teil der Gerichtsakte sind, sondern sich in behördlicher Hand befinden. 4. Der Verteidiger kann nicht darauf verwiesen werden, die Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung in Räumen der Polizeidienststelle vorzunehmen (Beschluss vom 25.10.2010 – 5 Owi 146/10 -; in: NZV-aktuell 5/2011, VI).

– 1. Wird eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, muss dem Gericht die schriftliche Vertretungsvollmacht des Anwalts bei der Hauptverhandlung vorliegen. Ansonsten beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Zustellung des Urteils. 2. Eine ohne richterliche Anordnung (zum Beispiel durch die Geschäftsstelle) veranlasste Zustellung des Urteils ist unwirksam (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.04.2011 – 2 Ss OWi 243/11 -; in: NZV aktuell 6/2011, VI).

– Gegenüber dem Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens ist ein berechtigtes Interesse des Betroffenen auf Verteidigung der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens ist ein berechtigtes Interesse des Betroffenen auf Verteidigung durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl angemessen zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt dem Verteidigungsinteresse Vorrang. Das Recht des Betroffenen auf die freie Wahl seines Verteidigers ist unzumutbar verkürzt, wenn ein erstmaliger Antrag auf Terminsaufhebung mit der Begründung, es handele sich um einen Bagatellvorwurf, abgelehnt wird, obwohl der Verteidiger die kollidierenden Termine substantiiert angegeben und den Terminverlegungsantrag unverzüglich nach Erhalt der Terminsladung gestellt hat (LG Neubrandenburg, Beschluss vom 18.03.2011 – 744 Js 16438/10 OWi -; in: NZV aktuell 6/2011, VI).

– Ist anzunehmen, dass sich die Blutalkoholkonzentration im Grenzbereich von Ordnungswidrigkeit und Straftat bewegt, können die Polizeibeamten berechtigt sein, auf Grund ihrer Eilanordnungskompetenz die sofortige Entnahme einer Blutprobe zu veranlassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.12.2010 – 2 SsBs 140/10 -; in: NZV aktuell 6/2011, VI).

– 1. Bei Abwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kommt es für die Frage des Entschuldigtseins nicht darauf an, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er tatsächlich entschuldigt ist. 2 Es ist unerheblich, oder Terminverlegungsantrag und die Entschuldigungsgründe den Tatrichter vor Erlass seiner Entscheidung zur Kenntnis gelangen; maßgeblich ist allein, ob sie ihm bei gehöriger gerichtsinterner Organisation rechtzeitig hätten zugeleitet werden können (OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2010 – 2 Ss OWi 1939/2010 -; in: NZV 2011, 409).

– 1. Zumindest bei der Verhängung einer Geldbuße von mehr als 250,00 EUR besteht eine Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Betroffenen. Dabei sind außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen. Bei Bestimmung einer Geldbuße in einer solchen Höhe muss daher aus dem Urteil ersichtlich sein, ob der Betroffene in außergewöhnlich guten oder schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Dazu sind nicht notwendigerweise das konkrete Einkommen und Vermögen des Betroffenen festzustellen. Sofern das Gericht jedoch von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen ausgehen will, sind zumindest Feststellungen zum Beruf, zum Eigentums- und Wertverhältnis betreffend das bei der Verkehrstat verwendete Fahrzeug oder sonstigen Anzeichen des sozialen Status und die Mitteilung der zugehörigen Beweiswürdigung unverzichtbar. 2. Der Tatrichter muss sich bei Verhängung eines Regelfahrverbots der Möglichkeit, von der Verhängung des Fahrverbots unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße gegebenenfalls absehen zu können, bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen grundsätzlich erkennen lassen (OLG Schleswig, Beschluss vom 21.12.2010 – 2 Ss OWi 191/10 -; in: NZV 2011, 410).

– Der Verteidiger des Betroffenen hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Sachverständigen zu Verfügung gestellt werden. Die Akteneinsicht wird in den Räumen der Verwaltungsbehörde gewährt. Dem steht nicht entgegen, dass der Verteidiger nicht ortsansässig ist. Der Fertigung von Kopien derselben stehen urheberrechtliche Bestimmungen zum Schutz dieser Aufzeichnungen entgegen (AG Gelnhausen, Beschluss vom 14.09.2010 – 44 OWi 2945 Js 13 251/10 -; in: NZV 2011, 362).

– 1. In durchschnittlichen Fällen, in denen die Geschwindigkeitsmessung konkret nicht angezweifelt wird, reicht es zur Akteneinsicht aus, wenn der Akte das Messprotokoll, der Eichschein und der Schulungsnachweis beigefügt sind. 2. Sofern der Verteidiger aber konkret die Vorlage bestimmter Beweismittel beantragt, u. a. Lebensakte des Gerätes, Schulungsnachweis des Messbeamten, Bedienungsanleitung des Messgerätes, sind auch diese Unterlagen dem Verteidiger zugänglich zu machen, weil ansonsten das Recht auf rechtliches Gehör verletzt wäre. 3. Dies gilt auch, wenn diese Gegenstände noch nicht Teile der Gerichtsakte sind, sondern sich in behördlicher Hand befinden. 4. Der Verteidiger kann nicht darauf verwiesen werden, die Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung in Räumen der Polizeidienststelle vorzunehmen (AG Ellwangen, Beschluss vom 25.10.2010 – 5 OWi 146/10 -; in: NZV 2011, 363).

– Zum notwendigen Vorbringen bei der Rüge eines Verstoßes gegen § 218 StPO gehört, dass der Verteidiger nicht auf anderem Wege noch vor der Verhandlung Kenntnis von dem Termin erlangt hat (OLG Celle, Beschluss vom 02.04.2012 – 322 SsBs 84/12 -; in: NZV 2012, 351).

– Ist anzunehmen, dass sich die Blutalkoholkonzentration im Grenzbereich von Ordnungswidrigkeit und Straftat bewegt, können die Polizeibeamten berechtigt sein, auf Grund ihrer Eilanordnungskompetenz die sofortige Entnahme einer Blutprobe zu veranlassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.12.2010 – 2 SsBs 140/10 -; in: NZV 2012, 355).

– 1. Auch wenn im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot angeordnet wurde, muss der Betroffene vom Erscheinen auf seinen Antrag hin entbunden werden. 2. Wenn von der Anwesenheit des Betroffenen ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung nicht zu erwarten ist, ist der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 20.01.2012 – 2 Ss OWi 774/11 -; in: GE 2012, 192).

– 1. Zwischen Verkehrsverstößen, die im Abstand von 1-2 Minuten voneinander begangen werden, besteht ein so enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang, dass von einem einheitlichen Tatgeschehen auszugehen ist. 2. Sofern beide begangenen Verstöße ersichtlich auf dem Willen des Betr. beruhen, die vor ihm liegende Fahrtstrecke möglichst schnell zu durchfahren, sind die Verstöße auch in subjektiver Hinsicht als miteinander verbunden anzusehen. Einer zwischenzeitlichen Veränderung der Verkehrssituation kommt demgegenüber keine durchgreifende Bedeutung zu (OLG Celle, Beschluss vom 25.10..2011 – 322 SsBs 295/11 -; in: NZV 2012, 196).

– 1. Das Gericht hat dem Betroffenen die zur Hauptverhandlung geladenen Zeugen auch dann rechtzeitig namhaft zu machen, wenn sie bereits im Bußgeldbescheid aufgeführt waren. 2. Ein Beruhen des Urteils auf der Verletzung der §§ 222 I StPO, 46 I, 71 I OWiG kann in der Regel auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung befugt abwesend war und auch nicht durch einen Verteidiger vertreten wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2011 – 3 RBs 222/11 -; in: NZV 2012, 198).

– 1. Ist die polizeiliche Eilanordnungskompetenz berechtigt in Anspruch genommen und deshalb bereits nicht gegen die Beweiserhebungsvorschrift des § 81a StPO verstoßen worden, folgt ein Beweisverwertungsverbot auch nicht daarus, dass kein Versuch zur Erlangung einer Entnahmeanordnung durch einen fernmündlich errechbaren (Ermittlung-)Richter unternommen wurde. 2. Ausserhalb der zur konkreten Umsetzung einer nach § 81a II StPO getroffenen Massnahmeanordnung shet § 81 a StPO kein eigenständiges Festhalte- oder Festnahmerecht der polizeilichen Ermittlungsperson nicht vor (OLG Bamberg, Urteil vom 22.03.2011 – 3 Ss 14/11 -; in: NZV 2012, 97).

– Das Ergebnis einer Messung der Atemalkoholkonzentration mit einem Atemalkoholmessgerät unterliegt nicht dehalb einem Beweisverwertungsverbot, weil der Betroffene vor der Messung nicht darüber belehrt wurde, dass die Teilnahme an dieser Messung freiwillig und nicht erzwingbar ist (entgegen AG Frankfurt a. M., NZV 2010, 266) (AG Michelstadt, Urteil vom 22.11.2011 – 2 OWi 1400 Js 22301/11 -; in: NZV 2012, 97).

– Übersieht das Amtsgericht, dass es den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen entbunden hatte und verwirft den Einspruch nach § 74 II OWiG, bedarf es zur Begrüdung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde keiner Darlegung dazu, welcher Sachvortrag infolge der Verwerfung des Einspruchs nicht berücksichtigt worden ist (a. A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2011 – IV-3 RBs 52/11 -; in: NZV 2011, 563).

– 1. Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger liegt nicht vor, wenn die Zustellung ausdrücklich an die Kanzlei als solche und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger erfolgt ist. 2. Ein solcher Zustellungsmangel wird nicht durch die formlose Übersendung des Bußgeldbescheides an den Betr. in Verbindugn mit der Unterrichtung über die an den Verteidiger veranlasste Zustellung geheilt (OLG Celle, Beschluss vom 30.08.2011 – 311 SsRs 126/11 -; in: NZV 2012, 46).

– 1. Bei der Entscheidung über die Wirksamkeit einer gerichtlichen Terminsanberaumung folgt auf dem Grundsatz der Terminshoheit, dass nur die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des Ermessensspielraums nachprüfbar ist. 2. Gegenüber dem Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens ist ein berechtigtes Interessse des Betroffenen auf Verteidigung durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl angemessen zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt dem Verteidigungsinteresse Vorrang. 3. Das Recht des Betroffenen auf die freie Wahl seines Verteidigers ist unzumutbar verkürzt, wenn ein erstmaliger Antrag auf Terminsaufhebung mit der Begründung, es handle sich um einen Bagatellvorwurf, abgelehnt wird, obwohl der Verteidiger die kollidierenden Termine substantiiert angegeben und den Terminsverlegungsantrag unverzüglich nach Erhalt der Terminsladung gestellt hat (LG Neubrandenburg, Beschluss vom 18.03.2011 – 744 Js 16438/10 Owi -, in: NZV 2012, 47).

– Die Zahlung eines Verwarnungsgeldes unter einem materiellrechtlich begründeten Vorbehalt stellt das Vorliegen eines Einverständnisses im Sinne von § 56 II 1 OwiG nicht in Frage (OVG NRW, Beschluss vom 11.04.2011 – 8 A 589/10 -; in: NZV 2012, 55).

– 1. Behauptet der Betroffene in einem Beweisantrag auf zeugenschaftliche Vernehmung seines Bruders, dieser habe das gemessene Fahrzeug zur Tatzeit am Tattag gesteuert und gleiche dem Betroffenen „wie ein Ei dem anderen“, darf das Amtsgericht den Beweisantrag nicht ohne weiteres ablehnen. 2. Die unterbliebene Beweiserhebung kann auch nicht von der Vorlage eines aktuellen, den Bruder des Betroffenen zeigenden Lichtbildes abhängig gemacht werden, da es nicht Sache des Betroffenen ist, seine Unschuld nachzuweisen (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 15.10.2012 – (1 B) 53 Ss – OWi 607/12 (308/12) -; in: NZV 2013, 49).

– 1. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Gericht über den Antrag des Betr. auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht oder ohne eine auf § 73 II OWiG zurückführbare Begründung ablehnend entscheidet und sich auch im Urteil mit den Gründen, die zur Rechtfertigung des Antrags geltend gemacht wurden, nicht befasst. 2. Der Tatrichter hat dem Antrag nach § 73 II OWiG stattzugeben, wenn sich der Betroffene zur Sache geäußert oder erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht äußern, und seine Anwesenheit zur Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich ist. Die Entscheidung steht nicht im Ermessen des Gerichts. 3. Eine rein spekulative Erwägung, der Betr. werde in der Hauptverhandlung vielleicht doch noch Angaben machen, kann eine Aufklärungserwartung und damit die Ablehnung des Entpflichtungsantrags nicht begründen. Daher reicht die theoretische Möglichkeit, der Betr. werde seinen Entschluss um Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, nicht aus, dem Betr. die Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen zu verweigern (OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2012 – III-1 RBs 265/12 -; in: NZV 2013, 50).

– 1. Die Einstellung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach § 47 II OwiG führt grundsätzlich zu einem Strafklageverbrauch für ein nachfolgendes Straverfahren wegen derselben Tat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.03.2012 – III 3 RVs 28/12 -; in: NZV 2012, 395).

– Wird die Hauptverhandlung unterbrochen, befreit die einmalig erfolgte Entbindung den Betroffenen auch für nachfolgende Fortsetzungstermine von seiner Präsenzpflicht (KG, Beschluss vom 09.01.2012 – 3 Ws (B) 662/11 -; in: NZV-aktuell 2/13, VIII).

– 1. Räumt ein Betroffener die Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ein und erklärt er, dass er bei persönlicher Anwesenheit im Hauptverhandlungstermin „absolut schweigen“ werde, so muss er von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 II OWiG entbunden werden. 2. Wird eine Betroffener bei begründetem Entbindungsantrag in rechtfehlerhafter Weise nicht von der Verpflichtigung zum persönlichen Erscheinen entbunden, so stellt die Einspruchsverwerfung nach § 74 II OWiG nicht nur einen Verstoß gegen einfaches Verfahrensrecht dar, sondern impliziert auch eine Verletzugn rechtlichen Gehörs, so dass die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 II Nr. 1, 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 29.08.2012 – 3 SS OWi 1092/12 -; in: NZV 2013, 204).

– Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur entcheidung berufene Gericht (BGH, Urteil vom 18.12.2012 – VI ZR 55/12 -; in: NZV 2013, 231).

– Nach § 30 I Nr. 1 OWiG kann gegen eine Spedition ein Bußgeld festgesetzt werden, wenn durch einen Geschäftsführer die Gesellschaft treffende Pflichten verletzt worden sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 07.01.2013 – 1 SsBs 131/12 -; in: NZV 2013, 254).

– 1. Bei einer auf die Versagung der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes gestützten Verfahrensrüge bedarf es grundsätzlich der Darlegung, was bei rechtzeitiger Gewährung der Einsichtnahme vorgetragen worden wäre. Ist dies nicht möglich, muss mit der Rechtsbeschwerde dargelegt werden, welche Bemühungen um Einsichtnahme bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge vorgenommen worden sind. 2. Allein die wiederholte Aufforderung an die Bußgeldstelle, die Bedienungsanleitung zur Verfügung zu stellen, genügt hierfür angesichts des Umstandes, dass die Bedienunganleitung kein Unikat darstellt, nicht (OLG Celle, Beschluss vom 28.03.2013 – 311 SsRs 9/13 -; in: NZV 2013, 307).

– Befindet sich im Bußgeldverfahren die Bedienungsanleitung eines standardisierten Messgeräts nicht in den Akten, so kann auf ein unterlassenes Beiziehen der Anleitung ein Gehörsverstoß jedenfalls dann nicht erfolgreich gestützt werden, wenn das Gericht eine Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung in den Räumen der Bußgeldbehörde angeboten hat. Insoweitgilt der sogenannte formelle Aktenbegriff (OLG Celle, Beschluss vom 11.09.2012 – 311 SsRs 124/12 -; in: NZV 2013, 308).

– Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 StPO umfasst nicht die Bedienungsanleitung für das Messgerät, wenn diese nicht bereits Aktenbestandteil geworden ist (OLG Celle, Beschluss vom 26.03.2013 – 322 SsBs 377/12 -; in: NZV 2013, 608).

– Die Entscheidung über einen Entbindungsantrag des Betroffenen ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 II OWiG vorliegen. 2. Räumt der Betroffene die Fahrereigenschaft ein und erklärt, darüber hinaus in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache zu machen, so gehören hierzu sämtliche über die reine Identitätsfeststellung hinausgehenden Angaben zu den persönlichen Verhältnissen, insbesondere berufliche Tätigkeit und wirtschaftliche Verhältnisse, die für die äußere und innere Tatseite und die Verhängung von Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Folglich wäre die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung allenfalls dann einer weiteren Sachaufklärung dienlich, wenn hierfür die bloße physische Präsenz des – berechtigterweise – schweigenden Betroffenen genügt hätte (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.07.2013 – 2 Ss OWi 877/13 -; in: NZV 2013, 612).

– Hat das Gericht den vom Betroffenen rechtzeitig vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht verbeschieden und hat sich auch im Verwerfungsurteil in keiner Weise hiermit befasst, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen vor. In diesem Fall ist in der Rechtsbeschwerdebegründung kein Vortrag dazu erforderlich, was der Betroffene im Falle seiner Anhörung zur Sache ausgeführt hätte (OLG Dresden, Beschluss vom 24.07.2013 – 21 Ss 551/13 (Z) -, in: NZV 2013, 613).

– 1. Das zur Abstandsmessung eingesetzte sog. Brücken-Abstandsmessverfahren (VAMA) erfüllt alle Kriterien für die Einordnung als standardisiertes Messverfahren. Als ’standardisiert‘ ist nicht nur der mit Hilfe der Messanlage erfolgende Messvorgang selbst, sondern auch die anschließende Auswertung der gewonnenen Messaufnahmen zu qualifizieren, wobei unerheblich ist, ob diese Auswertung automatisiert oder auf sonstige Weise stattfindet (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12 -; in: NZV 2014, 140).

– 1. Die Bezeichnung „Abschrift“ auf einem im EDV-Verfahren erstellten Bußgeldbescheid hindert die Wirksamkeit der Zustellung nicht. 2. Der Antrag des Betroffenen, ihn nach Einräumung der Fahrereigenschaft gem. § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, kann nicht wegen der rein theoretischen Möglichkeit eines falschen Geständnisses abgelehnt werden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.10.2013 – 4a Ss 428/13 -; in: NZV 2014, 186).

– 1. Der Einwand der Halterhaftung gemäß § 87b III Nr. 9 IRG ist nach dem Wortlaut des Gesetzes gegenüber der Bewilligungsbehörde geltend zu machen. Im gerichtlichen Verfahren wird die Betroffene damit nicht mehr gehört. 2. Nach § 87b III Nr. 6 IRG ist die Vollstreckung in Deutschland nur dann unzulässig, wenn für die der Entscheidung zugrunde liegende Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet und die Vollstreckung nach deutschem Recht verjährt ist (OLG Jena, Beschluss vom 04.09.2013 – 1 Ss Rs 61/13 -; in: NZV 2014, 421).

– Wird einem Betroffenen vom Tatrichter die Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts versagt, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig vorzutragen, welche Tatsachen sich aus der Bedienungsanleitung hätten ableiten lassen und welche Konsequenzen sich für die Verteidigung hieraus ergeben hätten (§ 79 III OwiG i. V. mit § 344 II 2 StPO). Sofern eine konkrete Benennung dieser Tatsachen mangels Zugriffs auf die Bedienungsanleitung nicht möglich ist, muss sich der Rechtsbeschwerdebegründung jedenfalls entnehmen lassen, welche Anstrengungen der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge (= Rechtsbeschwerdebegründungsfrist) unternommen hat, um sich Einsicht in die Bedienungsanleitung zu verschaffen (Anschluss an OLG Hamm, NStZ-RR 2013, 53 [Ls] = BeckRS 2012, 22839 sowie OLG Celle, NZV 2013, 307 = ZfS 2013, 412 und ZfS 2013, 652) (OLG Braunschweig, Beschluss vom 12.05.2014 – 1 Ss (OWi) 34/14 -).

– Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 II Nr. 1 S. 7 StVO genügt beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens (hier: Traffiphot III) die Angabe des konkret verwendeten Gerätetyps, des gewonnenen Messergebnisses und eines etwa zu beachtenden Toleranzwertes. Ferner ist der Abstand zwischen Haltelinie und erster sowie zweiter Induktionsschleife und der Rotlichtzeiten bei Überfahren der ersten und der zweiten Induktionsschleife darzustellen. Ist die Induktionsschleife in der Haltelinie selbst angebracht, sind die Messzeit und der Lageort der Sensorschleife im Urteil darzulegen (OLG Schleswig, Beschluss vom 02.04.2014 – 1 Ss OWi 59/14 (52/14) -; in: NZV 2015, 45).

– Wird einem Betroffenen vom Tatrichter die Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts versagt, ist im Rechtsbeschwedeverfahren regelmäßig vorzutragen, welche Tatsachen sich aus der Bedienungsanleitung hätten ableiten lassen und welche Konsequenzen sich für die Verteidigung hieraus ergeben hätten (§ 79 III OWiG i. V. mit § 344 II 2 StPO). Sofern eine konkrete Benennung dieser Tatsachen mangels Zugriffs auf die Bedienungsanleitung nicht möglich ist, muss sich der Rechtsbeschwerdebegründung jedenfalls entnehmen lassen, welche Anstrengungen der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge (= Rechtsbeschwerdebegründungsfrist) unternommen hat, um sich Einsicht in die Bedienungsanleitung zu verschaffen (Anschluss an OLG Hamm, NStZ-RR 2013, 53 [Ls] = BeckRS 2012, 22839 sowie OLG Celle, NZV 2013, 307 = ZfS 2013, 412 und ZfS 2013, 652) (OLG Braunschweig, Beschluss vom 12.05.2014 – 1 Ss (OWi) 34/14 -; in: 46).

– Es besteht ein Beweisverwertungsverbot, wenn entgegen des einschlägigen Erlasses die Inhaberin einer privaten Messfirma – ohne von der örtlichen Ordnungsbehörde angestellt zu sein – an der Auswertung der Geschwindigkeitsmessungen beteiligt ist. Gleiches gilt auch, wenn die Messung von einem im Wege der Arbeitnehmerüberlassung der Ordnungsbehörde zur Verfügung gestellten Mitarbeiter vorgenommen wird und dieser wirtschaftlich und persönlich eng mit der Messfirma verbunden ist, welche wiederum bzgl. der Messungen rein erfolgsabhängig vergütet wird (AG Gelnhausen, Urteil vom 26.03.2014 – 44 OWi-2255 Js 3061/14 -; NZV 2015, 46).

– Bei der Beurteilung, ob der Betroffene verbotswidrig ein Mobiltelefon benutzt hat, darf der Tatrichter zu dessen Lasten sich nicht damit begnügen, dass der Polizeibeamte, der sich an den Vorfall nicht mehr erinnert, auf die von ihm erstattete Anzeige einfach Bezug nimmt. Vielmehr muss der Tatrichter klären, ob der Polizeibeamte die volle Verantwortung füär den Inhalt der Anzeige übernimmt, in welcher Weise er bei der Anzeigenerstattung beteiligt gewesen und ob und inwieweit ein Irrtum ausgeschlossen ist, und warum es verständlich erscheint, dass der Polizeibeamte den Vorfall nicht mehr in Erinnerung hat, falls insoweit Zweifel einsetzen können. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.04.2014 – IV- 2 RBs 37/14 -; in: NZV 4/2015, 203).

1. Die unterbliebene Belehrung des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung führt nicht zur Unverwertbarkeit der Messung, da eine entsprechende Belehrungspflicht nicht besteht. 2. Nur bei konkreten Anhaltspunkten über ein Vorspiegeln der Mitwirkungspflicht oder das bewusste Ausnutzen eines Irrtums des Betroffenen über eine solche Pflicht seitens der Ermittlungsbehörde kommt eine Unverwertbarkeit der Messung in Betracht. (KG, Beschluss vom 30.07.2014 – 3 Ws (B) 356/14 – 122 Ss 106/14 -; in: NZV 4/2015, 204).

– Die Mitwirkung des Betroffenen an einer Atemalkoholmessung ist freiwillig und kann nicht erzwungen werden. Über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung muss der Betroffene nicht belehrt werden. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.04.2013 – (2 B) 53 Ss-Owi 58/13 (55/13) -; in: NZV 5/2015, 254).

– 1. Es ist zweifelhaft, dass der Bußgeldrichter entsprechend § 265 stopp einen Hinweis erteilen muss, wenn er beabsichtigt, die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu erhöhen (entgegen OLG Jena, VRS 113, 330 und OLG Hamm, DAR 2009,99). 2. Die entsprechende Verfahrensrüge bedarf jedenfalls der Darlegung, ein entsprechender Hinweis sei nicht bereits mit dem Bußgeldbescheid übermittelt worden (Anschluss an OLG Stuttgart, Beschl. vom 08.05.2013 – 4 a SsRs 66/13 = VRR 2013, 203; 473 = juris =ADAJUR DokNr. 104281. (KG, Beschluss vom 10.03.2014 – 3 Ws (B) 78/14 – 122 Ss 31/14 -; in: NZV 7/2015, 355).

Hat der Vorsitzende die Hauptverhandlung ohne ausdrückliche Befristung unterbrochen, um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ein gerichtliches Hinweisschreiben mit seinem Verteidiger zu erörtern, so darf der Einspruch nach § 74 II OwiG ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch dann nicht verwofen werden, wenn der Betroffene und sein Verteidiger bei Wiederaufruf der Sache nicht erscheinen und die Unterbrechung bis zum Wiederaufruf nur 3 Minuten und bis zur Verkündung des Verwerfungsurteils nur 7 Minuten gedauert hat. (KG, Beschluss vom 05.11.2014 – 3 Ws (B) 575/14 -; in: NZV 8/2015, 405).

– 1. Die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung sind sog. Verwaltungsinnenrecht und entfalten keine unmittelbare Außenwirkung. Für Verkehrsteilnehmer ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (Verkehrsschild) wirksam und zu beachten. Erfolgt die Messung unter einem nicht begründeten Verstoß gegen die Richtlinien zu Verkehrsüberwachung – hier in einem zu geringen Abstand zum Verkehrsschild – ist das für den festgestellten Geschwindigkeitsverstoß und damit für das festzusetzende Bußgeld grundsätzlich unbeachtlich. 2. Nur dann, wenn bei Einhaltung der Richtlinie die Indizwirkung, des Fahrverbots entfallen würde, kann das Tatgericht bei entsprechender Begründung, aus Gründen der Gleichheit von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen (sog. Wegfall des Handlungsunwerts). ( OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.01.2016 – 2 Ss-Owi 893/15 -; in: NZV 9/2016, 444).

– 1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät PoliScan Speed setzt die Verwertung der Messung als Ergebnis eines sogenannten standardisierten Messverfahrens voraus, dass sowohl die Messung selbst als auch die Auswertung der Messdaten entsprechend den Vorgaben der Physikalisch- Technischen Bundesanstalt (PTB) erfolgen muss. 2. Danach muss die Auswertung der Messdaten jeweils mit dem aktuellen, von der PTB zugelassenen Auswerteprogramm erfolgen. 3. Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist eine originär hoheitliche Aufgabe und obliegt der Verwaltungsbehörde (§ 35 OwiG). Deshalb muss sowohl die Messung selbst als auch die Auswertung der Messdaten von der Verwaltungsbehörde verantwortet werden. 4. Eine Übertragung der Auswertung der Messdaten auf eine private Firma (Vermieterin des Messgeräts) ist unzulässig. So gewonnene Messdaten unterliegen einem Beweisverwertungsverbot. ( AG Michelstadt, Urteil vom 16.04.2015 – 2 Owi-8200 Js 17495/14) -; in: NZV 12/2015, 607).

Weder aus § 147 StPO iVm § 46 I OwiG noch aus dem Gebot des fairen Verfahrens ergibt sich gegenüber dem Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung ein Recht des Betroffenen auf Einsicht in die bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Daten der Geschwindigkeitsmessungen des Tattages, die lediglich andere Verkehrsteilnehmer betreffen, und auf Überlassung der Daten zur eigenen Auswertung. (OLG Düsseldorf, Beschl. vom 22.07.2015 – IV – 2 RBs63/15 -; in: NZV 3/2016, 140).

– Die Anberaumung einer Hauptverhandlung mit verjährungsunterbrechender Wirkung gem. § 33 I 1 Nr. 11 OwiG liegt nur vor, wenn der Vorsitzende jedenfalls Tag und Stunde der vorgesehenen Verhandlung bestimmt. (OLG Karlsruhe, Beschl. vom 28.10.2015 – 2 (6) SsBs 564/15 – AK 164/15 – ; in: NZV 4/2016, 195).

Die bewusste Umgehung des für die Blutentnahme vorgesehenen Richtervorbehalts führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine solcherart bewusste Umgehung liegt auch vor, wenn es dem anordnenden Polizeibeamten gleichgültig ist, ob ein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet ist. (OLG Naumbur, Beschl. vom 05.11.2015 – 2 Ws 201/15 -; in: NZV 5/2106, 242).

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